Man könnte meinen, nach unserer letzten österlichen Städtereise wären wir von derartigen Touren geheilt. Doch wir erinnern uns alle sicher nur zu gut, was in den letzten Jahren wirklich zum Stimmungskiller für solche Trips wurde. Da der "Pandemiespaß" nun hinter uns liegt, sind wir kürzlich für einen spontanen Tapetenwechsel in die wunderschöne Hauptstadt Schottlands gereist - samt Unterstützung bei der Reiseplanung von ChatGPT.
Keine Angst, wir wollen hier keine Diskussion über die Folgen des möglichen "Weltveränderers" anstoßen, sondern lediglich über unsere Erfahrungen berichten. Was hat aus unserer Sicht gut funktioniert, was eher schlecht? Zu Beginn stand die Aufgabe, uns zwei alternative Reisepläne für unseren Besuch zusammenzustellen, jeweils einen für schönes und einen für regnerisches Wetter - Schottland ist ja nicht gerade für Sonnenschein und hohe Temperaturen bekannt.
Die Vorschläge stellten einen äußerst brauchbaren Einstieg dar und die Detailplanung ging dadurch definitiv schneller von der Hand, als über eine klassische Suchmaschinen-Recherche. Klarer Punkt für ChatGPT. Auch weiterführende Fragen, beispielsweise nach möglichen Transportmitteln, führten schnell zu den hilfreichen Ergebnissen und in einem Fall sogar zu einem ganz besonderen Tag. Doch dazu - und zu den negativen Erfahrungen - später mehr. Was haben wir denn nun überhaupt in Edinburgh erlebt?
Abendspaziergang bis Dean Village
Freitagnachmittag in Schottland gelandet, nahmen wir den Lothian Bus vom Flughafen direkt bis zur Endhaltestelle am St. Andrew Square. Zentral, aber trotzdem überraschend ruhig, lag dort auch das ibis Styles, unser gemütliches und durchaus schickes Hotel - der Name ist Programm.
Bei grandiosem Wetter machten wir uns mit einem kleinen Schlenker über die Princes Street, wo wir erste Blicke auf die auf einer Anhöhe liegende Altstadt werfen konnten, auf in Richtung Water of Leith Walkway. Ein durchaus idyllischer Spaziergang, vorgeschlagen vom virtuellen Assistenten. Unterwegs holten wir uns einen leckeren Snack im urigen Käseladen I. J. Mellis, bevor wir gemütlich am Fluss entlang bis Dean Village schlenderten, dessen historische Gebäude in der Abendsonne besonders malerisch anmuteten.
Von dort liefen wir über kleine Umwege Richtung Castle Rock, den wir durch den St. Cuthbert's Kirkyard hindurch auf der südwestlichen Seite umrundeten. Am Grass Market angekommen, machten wir es uns im The Last Drop gemütlich. Hier sollte sich das erste Mal zeigen, dass die Bar- und Restaurant-Tipps von ChatGPT für uns leider überhaupt nicht funktionierten. Das Pub war jetzt nicht direkt schlecht, aber eben auch kein Highlight, weshalb wir uns recht bald auf den Rückweg zum Hotel durch die im Dunkeln noch imposanter wirkende Altstadt machten.
Mit dem Rad einmal rund um Edinburgh
Nach einem stärkenden Frühstück vom vielseitigen Buffet machten wir uns bei erneut herrlichem Wetter auf den Weg, vorbei am Scott Monument, Richtung Altstadt. Während wir - ebenfalls nicht gerade als Frostbeulen bekannt - froh über unsere leichten Jacken waren, trafen wir ungeachtet der noch einstelligen Temperaturen auf mehrere Leute in kurzen Hosen und T-Shirt. Hart im Nehmen, die Schotten.
Wir hatten ein Date mit Peter Butterworth von Cycle Scotland, von dem wir uns zwei Räder ausliehen. Übrigens eine Idee, auf die uns ChatGPT gebracht hatte. Nicht auf die anstehende Radtour an sich, aber auf die Verwendung unseres auch im Privatleben liebsten Transportmittels. Günstig waren die beiden teils arg in die Jahre gekommenen Drahtesel im Übrigen nicht, aber der liebenswerte Peter war dafür überaus hilfsbereit und gab uns wertvolle Tipps für das Feintuning unserer Routenplanung.
Nach Cramond Island übers Wasser laufen
Die erste Station auf unserem Plan war Cramond Island im Nordwesten Edinburghs. Also fuhren wir unterhalb des Castles vorbei - Linksverkehr mit dem Rad ist durchaus mal eine Erfahrung - und anschließend den gemütlichen Roseburn Path gen Norden. Dank eines unfreiwilligen Umwegs aufgrund einer verpassten Abzweigung brauchten wir fast eineinhalb Stunden. Doch waren wir immer noch gut in der Zeit, um vor Eintritt der Flut über den ansonsten unter Wasser liegenden Cramond Causeway zur Insel rüberzulaufen und die dortige Aussicht zu genießen.
In der Ferne konnten wir bereits unser nächstes Ziel, die Forth Bridge ausmachen, eine Eisenbahnbrücke aus dem 19. Jahrhundert, und so machten wir uns nach kurzer Zeit schon wieder auf den Weg. Peter hatte uns sehr ans Herz gelegt bis zur Brücke nach South Queensferry zu fahren. Nicht nur wegen der imposanten Konstruktion an sich, sondern auch weil der Weg dorthin durch ein privates Anwesen und vorbei am Barnbougle Castle eine wunderschöne Radstrecke sein sollte.
Forth Bridge und South Queensferry
Er hatte nicht zu viel versprochen. Die Fahrt durch das Dalmeny Anwesen, vorbei am zugehörigen Golfplatz, war in der Tat der womöglich idyllischste Abschnitt des Tages. Je näher wir der Forth Bridge kamen, desto häufiger hielten wir an, um Fotos zu schießen. Ein wirklich beeindruckendes Bauwerk. Nichts war also naheliegender, als zum Mittagessen im Railbridge Bistro einzukehren und bei herrlichen Wetter und bestem Blick auf die Brücke lecker Fish & Chips und ein kühles Tennent’s zu genießen. Wundervoll!
Zurück Richtung Innenstadt radelten wir durch das Örtchen South Queensferry hindurch und anschließend ein Stück parallel der A90. Wahrlich keine schöne Strecke, doch ging es so deutlich flotter zurück. Wir wollten schließlich noch bis in den Westen Edinburghs. ChatGPT hatte uns den Besuch des dortigen Portobello Beach empfohlen. Zurück am Cramond Causeway, den die Flut bereits verschluckt hatte, fuhren wir gemütlich entlang der Küste Richtung Osten.
Im Stadtteil Newhaven blieben unsere Augen an einer alten Kirche mit Werbung für „Alien Rock - Indoor Climbing“ hängen. Die haben doch nicht etwa die Kirche zur Kletterhalle umfunktioniert? Neugierig warfen wir einen Blick ins Innere und stellten fest: Doch, genau das haben sie… Schon irgendwie verrückt!
Auf ein Eis zum Portobello Beach
An der Bernard Street Bridge machten wir ein weiteren Mini-Stop, um ein schnelles Foto der zum schwimmenden Hotel umgebauten Ocean Mist zu schießen. Die Ecke sah ganz nett aus, doch kurz danach ging es ein ganzes Stück durch ein wenig ansehnliches Industriegebiet. Gegen halb vier am Nachmittag erreichten wir den östlichen Rand Edinburghs und genehmigten uns ein wirklich leckeres Eis bei Oscar’s. Nach Strandpromenade war uns im Anschluss dann aber nicht mehr, da es doch ziemlich frisch geworden war - sicherlich auch eine Folge des eiskalten Genusses.
Wir verließen die Küste, durchquerten ein typisch edinburghsches Wohnviertel und umrundeten auf südlicher Seite den Holyrood Park mit dem bekannten Hügel Arthur’s Seat, den wir am Folgetag noch besuchen wollten. Durch einen alten Eisenbahntunnel ging es zurück Richtung Innenstadt, wo wir noch ein schnelles Wegbier in der Holyrood Distillery tranken, bevor wir nach etwa 55 Kilometern die Räder wieder ablieferten. Durch die äußerst belebte Altstadt spazierten wir zurück zum Hotel, um uns frisch zu machen.
Den Plan, die leeren Energiespeicher im Dishoom mit indischem Essen wieder aufzufüllen, haben wir wegen der langen Schlange davor kurzerhand verworfen. Kein Wunder, dass der Laden keine Reservierungen annimmt. Eine Stunde zusammen mit lauter Schicki-Mickis warten? Nein danke, ChatGPT. Auf dem Rückweg vom Fahrradverleih war uns das Gurkha Cafe ins Auge gestochen, wo wir letztlich gemütlicher und mutmaßlich auch authentischer gefuttert haben. Im Anschluss folgten wir Peters Empfehlung auf ein Belhaven in die Captains Bar. Mangels Soundanlage bekamen wir in dem alteingesessenen Pub von der Livemusik jedoch wenig mit und verkrümelten uns bald zurück ins Hotel.
Edinburgh Castle und Arthur’s Seat
Tags darauf stand zunächst ein Besuch der Burg auf unserem Programm. Intuitiv hatten wir zum Glück bereits ein paar Tage vor Abreise Tickets online gekauft, denn vor Ort waren keine mehr verfügbar. Pünktlich um halb zehn erfolgte der Einlass. Während die Massen im unteren Bereich kleben blieben und über die Mauern lugten, eilten wir schnurstracks eine Ebene höher zur Mons Meg, einem eindrucksvollen Riesengeschütz aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Die Aussicht über die Stadt von hier oben war einfach nur grandios. Zudem hatten wir den oberen Bereich relativ lange fast für uns alleine. Wir drehten eine Runde, bestaunten die Kronjuwelen im Royal Palace (keine Fotos erlaubt) und die Waffensammlung in der Great Hall, bevor wir im Anschluss ein altes Kriegsgefängnis und das Verlies in Augenschein nahmen. Auch durchs National War Museum drehten wir eine schnelle Runde und stellten schnell wieder fest, dass wir einfach keine Museumsgänger sind. Insgesamt hat sich der rund zweieinhalbstündige Besuch der imposanten Burg auf jeden Fall gelohnt, auch wenn der Eintritt mit knapp 20 Pfund pro Erwachsenem nicht gerade ein Schnäppchen war.
Ein Oink auf dem Weg zum Arthur’s Seat
Anschließend spazierten wir den Burgberg hinab in Richtung Parlamentsgebäude entlang der Royal Mile. So ein Trip in die Vergangenheit macht hungrig, weshalb wir uns im namensgebenden Oink mit einem Brötchen mit herzhaftem Pulled Pork stärkten, bevor wir den Holyrood Park ansteuerten. Dort waren wir sofort in unserem Element - wenn auch an diesem wunderschönen Frühlingstag weit weniger alleine, als uns lieb gewesen wäre.
Richtung Westseite folgten wir dem Pfad oberhalb der Salisbury Crags, die wie eine Steilküste anmuten, und genossen von dort den Blick zurück zur Burg und über die Stadt. Was für eine Aussicht! Danach ging es einen steilen, teils durch Stufen entschärften Anstieg hoch, zunächst auf Nether und Crow Hill, bevor wir uns kurz zu gefühlt 100 weiteren Gipfelstürmern auf der höchsten Erhebung, dem 251 Metern hohen Arthur’s Seat gesellten.
Lange hielt es uns da oben jedoch nicht bei all dem Trubel. Wir drehten noch eine Runde vorbei am Dunsapie Loch, auf dem sich einige Wasservögel tummelten, bevor wir über den Whinny Hill vorbei an den Ruinen der St. Anthony Chapel zurück Richtung Parlamentsgebäude wanderten. Beim Verlassen des Parks bogen wir jedoch ab Richtung Norden, da wir auf dem Rückweg noch einen Abstecher zum Calton Hill machen wollten.
Dunkle Rituale am Calton Hill
Zuerst war es jedoch Zeit für einen leckeren griechischen Mokka im gemütlichen Think Pastry, von dem wir - abgesehen von der Eingangstür - mal wieder vollkommen vergessen haben, Fotos zu schießen. Foodblogger werden wir in diesem Leben sicher keine mehr. Im Übrigen haben wir das nette Eckcafé ganz ohne künstliche Pseudo-Intelligenz selbst über Google Maps gefunden.
Zurück Richtung Hotel folgten wir zunächst der Royal Terrace und bogen von dort ab hinauf zum Calton Hill, wo sich jede Menge kurioser Gestalten zusammengefunden hatten. Die wirkten auf uns, als bereiteten sie sich auf eine Art Mittelalter-Show vor, mit Hexenaustreibung, Trommeln und (noch nicht entzündeten) Feuerkugeln. Unsere Aufnahmefähigkeit war nach der zehn Kilometer langen Tour - den Burgbesuch nicht mitgezählt - jedoch längst erschöpft. Zudem hatte es sich mittlerweile ziemlich zugezogen, so dass wir nicht weiter versuchten, den Grund für die Versammlung herauszufinden und das Hotel ansteuerten.
Auf dem späteren Weg zu unserer Abendessen-Reservierung kehrten wir zunächst auf ein Bier in der Thistle Street Bar ein, wo die eher ungewöhnliche Mischung aus Gitarren- und Trompetenmusik uns jedoch auch nicht so recht von der schottischen Pub-Kultur überzeugen konnte. Das anschließende Essen im Bon Vivant, in das uns ChatGPT geschickt hatte, war zwar lecker, doch das eher loungige Flair nicht unbedingt unser Ding. So verkrümelten wir uns bald noch auf einen Absacker ins stylische Guildford Arms, bevor wir nach zweieinhalb mit wundervollen Eindrücken vollgepackten Tagen erschöpft für eine letzte Nacht in Schottland in unsere Betten fielen.
Unsere Meinung zur Stadt
Edinburgh und seine unmittelbare Umgebung sind definitiv einen Besuch wert. Schon die imposante Architektur lässt einen wie auf einer Zeitreise fühlen. Auch die Erkundung der Burg hat uns richtig gut gefallen. Wer kann, sollte die Möglichkeit einer Radtour in Betracht ziehen. So seht ihr in kurzer Zeit noch eine ganze Menge mehr von der überaus interessanten Stadt. Von der Höflichkeit, Freundlichkeit und Offenheit der Menschen dort können sich außerdem so manche Leute eine riesengroße Scheibe abschneiden. Wir haben uns durch die Bank wirklich mehr als wohl gefühlt.
Was die Reiseplanung mit ChatGPT angeht, bleiben eher gemischte Gefühle. Für einen Recherche-Startpunkt lohnt sich eine Befragung auf jeden Fall, doch merkt man recht schnell, dass das statistische Sprachmodell mit Intelligenz etwa so viel gemein hat, wie das schottische Wetter mit der Anzahl Sonnenstunden in Yuma, Arizona. Insbesondere die sehr durchwachsenen Ergebnisse bezüglich der Restaurant- und Kneipentipps zeigen deutlich, das menschliche Empathie und Kreativität noch lange nicht ersetzt werden können.
Im Vergleich zu Rom kam uns Edinburgh jedenfalls zu Ostern durchaus nicht zu überlaufen vor. Klar, mit dem Wetter muss man - insbesondere so früh im Jahr - schon Glück haben. Doch mit ein paar warmen Klamotten - die hatte uns Oma ChatGPT im Übrigen auch ans Herz gelegt - lässt es sich gut aushalten. Schließlich gilt auch bei einer Städtetour: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung.
Reisedetails
Stadt
Edinburgh
Dauer
2,5 Tage
Reisetermin
07. April bis 10. April 2023
Nebenkosten
pro Person
Zusätzliche Verpflegung/Souvenirs, etc.:
150€ (Sparsam) - 300€ (Genießer)
23€ Eintritt Castle
45€ Fahrradverleih
9€ Lothian Bus (hin und zurück)
Fortbewegung
Bequeme und günstige Anbindung des Flughafens über Bus, vor Ort zu Fuß und per Rad unterwegs
Zahlungsmittel
Kreditkarte (wir haben kein Bargeld verwendet)
Mobilfunk
Noch EU-Roaming; Mobilfunk-Empfang ortsabhängig; WLAN im Hotel kostenlos
Einreise
Reisepass erforderlich (nicht mehr EU)
Besonderheiten
Überraschend hügeliges Stadtbild; nicht ganz günstig; saubere Großstadt und unglaublich freundliche Menschen
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