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Gletscher- und Hochtourenkurs

Zur Vorbereitung auf eine anstehende Vulkantrekking-Reise in Ecuador waren wir im Frühjahr zunächst in Nepal (schon unseren Film dazu gesehen?), um Bernds Höhenverträglichkeit zu testen und absolvierten im September einen viertägigen Gletscher- und Hochtourenkurs auf der Stüdlhütte mit optionaler Besteigung des Großglockners in Österreich. Ob wir heil auf dem Gipfel ankamen und was wir alles gelernt haben, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Verrückt gestaltete sich bereits die Anreise, die wir mit einer Übernachtung in Otterfing auf zwei Tage aufteilen wollten. Dort standen wir nämlich hilflos vor der Pension Ludwig Thoma. Man habe wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Stimmt, hatte man, und zwar laut Homepage bis 31. August. Unser Anreisetag war jedoch der 3. September. Von der bereits Anfang Juli über Booking.com gebuchten und bestätigten Reservierung hatte man „nix im Combjuder“. Herzlichen Dank. Das nächste Mal schreiben wir wohl besser einen Brief…

 

Untergekommen sind wir im sonst offenbar ausgebuchten Oberbayern kurzerhand im Hotel Neuwirt in Sauerlach. Doch aus einer zünftigen Brotzeit wurde leider nichts: Die dortige Küche war kurioserweise chinesisch geführt. Immerhin war das Bier bayerisch und die Ente sehr lecker. Noch mal Glück gehabt.


Warmlaufen mit nachgeholter Aussicht


Gegen 11:00 Uhr erreichten wir am Folgetag die Gondelstation in Kals am Großglockner. Wer jetzt „Blauspitze! Nebel! Das ist Österreich Teil 4!“ schreit, hat sehr gut aufgepasst. Fleißkärtchen! Zum Warmlaufen wollten wir noch einmal zur Adlerlounge hochfahren, um diesmal entgegengesetzter Richtung auf den Rotenkogel zu steigen. Das Wetter war im Gegensatz zum Vorjahr traumhaft schön. Schon bei der Gondelfahrt zeigte sich der Glockner mit seinen Gletschern, auf denen wir tags drauf bereits unterwegs sein sollten. Oben angekommen genossen wir einen traumhaften Ausblick zu allen Seiten. Deutlich zu erkennen waren beispielsweise Kendl- und Blauspitze im Norden und das Virgental im Westen.

Die kurze Tour auf den immerhin 2762 Meter hohen Gipfel entpuppte sich zu unserer Überraschung als erstaunlich vielseitig und abwechslungsreich. Steiler, leicht gerölliger Anstieg zu Beginn, gemütlicher Wiesenweg auf der Höhe und sogar leichte, seilversicherte Klettereinlagen standen auf dem Programm. Von allem etwas und daher ideal als Aufwärmrunde geeignet, noch dazu bei dieser herrlichen Sicht. Am liebsten wären wir noch viel länger gelaufen.

Zurück auf der Adlerlounge chillten wir noch etwas bei einem Radler in der Sonne, bevor wir die Gondel ins Tal nahmen und von da mit dem Auto über die Kalser Glocknerstraße hoch zum gemütlichen Lucknerhaus tuckerten. Dort gab es zum Checkin erst mal einen Begrüßungsschnaps. Nimm das, Pension Ludwig Thoma! Aufgeregt, was die nächsten vier Tage wohl bringen würden, legten wir uns nach einem Snack und anschließendem Abendspaziergang frühzeitig ins Bett.

Erste Gehversuche mit Steigeisen


Am nächsten Morgen treffen wir auf dem Wanderparkplatz Franz Hölzl, unseren Bergführer, der eine ordentliche Prise Rock’n’Roll versprüht und uns sofort sympathisch ist. Nachdem auch der Rest der Gruppe eingetroffen ist, machen wir uns gemeinsam an den Aufstieg zur Stüdlhütte, der für uns - so gänzlich ohne Schnee - noch mal seinen eigenen Charme im Vergleich zum Vorjahr versprühte.

Nach der Mittagspause ging es direkt hoch aufs Teischnitzkees für die ersten Gehversuche mit Steigeisen und um den Einsatz des Eisgeräts im steilen Gelände zu erlernen. Ganz schön ungewohnt, mit dem gesamten Fuß auftreten zu müssen, anstatt abzurollen oder wie Bernd - vom Skifahren gewohnt - seitlich aufzukanten. Zwischen all den Gletscherspalten unterwegs zu sein war ohnehin eine ganz besondere Erfahrung, auch wenn wir nicht so viel dunklen Staub darauf erwartet hatten. Dieser verstärkt dummerweise das Abschmelzen, da er die Erwärmung im Sonnenlicht natürlich begünstigt.

Zurück auf der Hütte ging es weiter mit den Themen Kartenlesen, Orientierung und Tourenplanung. Franz ging dabei ausführlich auf all unsere Fragen ein, vermittelte uns kompetent das nötige Wissen und lies uns an seiner langjährigen Erfahrung teilhaben. Außerdem genossen wir das leckere Abendessen vom reichhaltigen Buffet der Stüdlhütte, bevor wir uns im 20-Personen-Lager auf eine nur bedingt ruhige Nacht einstellten.

In Seilschaft querfeldein über den Gletscher


Am folgenden Tag starteten wir gegen halb acht erneut Richtung Teischnitzkees. Auf der gerölligen Ebene davor konnten wir unser erworbenes Wissen direkt anwenden und prüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg waren. Unser Ziel: Über den Gletscher querfeldein bis zum Teufelskamp. In zwei Seilschaften waren wir unterwegs - Joachim, sein Sohn Garp und Kumpel Wolfgang in der einen, Lena, Marion, meine Wenigkeit zusammen mit Franz in der anderen. Franz sorgte dafür, dass jeder seiner Schüler mal die Führung übernahm, um die Gruppen durch das Gelände zu führen.

Das Gehen auf Steigeisen fühlte sich bei weitem nicht mehr so seltsam an, wie noch am Vortag. Immer wieder schlugen wir den ein oder anderen Umweg ein, um diverse Spalten zu umgehen. An einer Stelle blieb uns trotzdem nur ein beherzter Sprung von rund einem Meter übrig. Selbstverständlich gut gesichert durch die Kameraden der jeweiligen Seilschaft. Da das Wetter eher durchwachsen war, machten wir bereits gegen Mittag kehrt, um an der steilen Seitenkante nahe des Ausgangspunkts das Thema Spaltenbergung anzugehen. Zur Not wären wir von hier auch schnell zurück auf der Hütte, sollte es doch noch gänzlich umschlagen.

Angewandte Physik: Die Bergung mit Loser Rolle

Es galt, einen Fixpunkt mit dem Eisgerät zu schaffen (T-förmiges Loch ins Eis schlagen), diverse Knoten und korrekten Einsatz der unterschiedlichen Karabiner zu erlernen, sowie die richtige Reihenfolge der Handgriffe einzuhalten (Selbstsicherung zuerst, anschließend Rettungsarbeiten, etc.). Insbesondere die Bergung mittels Loser Rolle stellte sich für uns als kleines Komplexitätsmonster heraus, für die wir in Physik früher womöglich hätten besser aufpassen sollen. Vielleicht lag es auch schlicht daran, dass Marion und mir von vornherein klar war, dass wir keine Gletschertouren auf eigene Faust planen und durchführen würden und unser Fokus daher auf den anderen Lehrinhalten lag. Insbesondere eben auf Steigeisentechnik, Verwendung des Eisgeräts und das Gehen in Seilschaft. Spannend war es trotzdem allemal.

Da allerspätestens donnerstags mit viel Niederschlag und sogar Gewitter zu rechnen war, beschlossen wir am Abend gemeinsam mit Franz und seinem für die Gipfelbesteigung hinzugekommenen Kollegen Christoph, den Gipfeltag kurzerhand auf den Mittwoch vorzuziehen. Selbst das bedeutete, dass wir frühzeitig starten und flott unterwegs sein müssten, da die Ausläufer der Schlechtwetterfront uns womöglich bereits Mittwochnachmittag erreichen würden. „Flott“ war ja so gar nicht unser Ding…

Entscheidung am vorgezogenen Gipfeltag


Gegen halb sechs brachen wir am nächsten Morgen auf. Die schnelle Dreierseilschaft verstärkt durch Christoph voraus, Lena und wir zusammen mit Franz hinterher. Im Dunkeln ging es bis zum Ködnitzkees, wo wir Steigeisen und Klettergurte an- und die Stirnlampen ablegten. Der Abschnitt über den Gletscher wurde immer steiler mit teils imposanten Spalten. Unsicher waren wir bezüglich des angekündigten Klettersteigs am Aufstieg zur Erzherzog-Johann-Hütte. Mit Steigeisen konnten (und wollten) wir uns das nicht so recht vorstellen. Der Anblick des Einstiegs flößte uns dann auch ordentlich Respekt ein. Überraschenderweise hatten wir mit den eisernen Zacken an den Füßen selbst auf blankem Fels einen erstaunlich sicheren Halt und konnten uns gut auf die Kletterei an sich fokussieren.

Bei der Adlersruhe, wie die auf 3454 Metern gelegene Hütte auch genannt wird, angekommen, stand der Moment der Entscheidung an. Der Weg zum Gipfel sollte noch um einiges schwieriger zu klettern sein. Gepaart mit dem Zeitdruck, einem Glockner in den Wolken, und dem Risiko, dass die gesamte Seilschaft wegen uns umkehren muss und wir damit Lena - etwa halb so jung und doppelt so fit wie wir - das Erlebnis vermiesen würden, entschieden wir uns, auf der Hütte zu bleiben. Insbesondere weil es uns nie um den Gipfel selbst ging. Franz versicherte uns zwar, dass er uns den Aufstieg zutrauen würde (danke für das Vertrauen), respektierte aber selbstverständlich unsere Entscheidung.

Wir genossen zunächst die Aussicht und machten es uns anschließend rund drei Stunden lang in der Adlersruhe gemütlich. Zwischendurch reckte die schnelle Herrentruppe nach erfolgreichem Abstieg kurz die Köpfe durch die Tür, bevor sie von einem leichten Schneeschauer begleitet weiterzogen. Zwanzig vor elf erspähten wir auf dem Kamm Lena und Franz, die sich wenig später zu uns gesellten und eine wohlverdiente Pause gönnten. Den Gipfel hatten sie erreicht, gesehen aber wie befürchtet eher wenig. Gemeinsam stiegen wir gegen Mittag bei trockenem Wetter und teils herrlichem Sonnenschein in aller Ruhe zunächst den Klettersteig zum Gletscher und von dort weiter zur Stüdlhütte ab. Dort schoben wir noch eine Lerneinheit zum Abseilen am Übungsfelsen ein, bevor wir den Abend gemütlich ausklingen ließen.

Trockenübung zur Selbstrettung


Mittlerweile hatte uns das schlechte Wetter erreicht, weshalb wir am Vormittag des letzten Kurstags die Selbstrettung kurzerhand an zwei Holzbalken im ersten Stock der Stüdlhütte exerzierten. Hier galt es, sich mittels zweier Prusikschlingen selbst am Seil nach oben zu ziehen - eine Übung, die uns technisch wie körperlich ordentlich ins Schwitzen brachte. Auch für eine Trockenübung zur Wiederholung der Bergung mit loser Rolle fanden wir noch Zeit, bevor sich Franz mit dem Rest der Gruppe in einer Regenpause auf den Weg zum Lucknerhaus begab.


Wir verabschiedeten uns und blieben auf der Hütte. Von der aus hatten wir am Folgetag noch eine sechstägige Tour auf dem Wiener Höhenweg mit Abstecher zur Hochschoberhütte geplant, über die wir euch allerdings ein andermal berichten werden. Glücklicherweise sollte das Wetter dafür auch wieder besser werden. Am Nachmittag nutzten wir eine weitere Regenpause für einen kurzen Spaziergang Richtung Teischnitztal, bevor wir uns ein letztes Mal beim leckeren Abendbuffet der Stüdlhütte den Bauch vollschlugen.

Unsere Meinung zur Reise


Der bei Alpine Welten gebuchte Hochtourenkurs am Großglockner hat unsere Erwartungen definitiv voll erfüllt. Das vorab zur Verfügung gestellte Info-Material war sehr gut aufbereitet und wir fühlten uns bestens vorbereitet. Auch das Preis-/Leistungsverhältnis empfanden wir als angemessen.

 

Die Stüdlhütte gewinnt unserer Meinung nach zwar keinen Gemütlichkeitspreis - diesbezüglich konnten uns die später besuchten Hütten auf dem Wiener Höhenweg weit mehr begeistern - doch stand sie diesen in punkto Freundlichkeit des Personals, Verpflegung und Sauberkeit in nichts nach. Man merkt einfach, dass sie vornehmlich als Basis für Glocknerbesteigungen oder als Ziel für Tageswanderungen vom Lucknerhaus besucht wird und damit einen anderen Fokus aufweist.

 

Ein ganz besonderer Dank gebührt unserem Bergführer und Trainer Franz Hölzl, der durch seine sympathische, ruhige und pragmatische Art stets für eine entspannte Stimmung sorgte und die Lehrinhalte verständlich und unterhaltsam zu vermitteln wusste. Ein wirklich angenehmer Zeitgenosse mit dem wir jederzeit wieder eine Tour antreten würden. Liebe Grüße an dieser Stelle!

Reisedetails

Gebucht bei

Bergführer

Dauer 


Reisetermin

05. September bis 08. September 2022


Unterkunft


Nebenkosten

pro Person

Zusätzliche Verpflegung, etc.:

100€ (Sparsam) - 200€ (Genießer)


Fortbewegung

Anreise per Auto, sonst ausschließlich zu Fuß


Zahlungsmittel

Euro, Kreditkarte


Mobilfunk

 

EU-Roaming; Mobilfunk-Empfang ortsabhängig; WLAN auf der Hütte kostenlos (Empfang ok)


Einreise

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Kommentare: 1
  • #1

    Franz Hölzl (Samstag, 31 Dezember 2022 17:22)

    Hi ihr 2 Glückskinder!

    sehr schöner Artikel und zusammen mit den Fotos gibt er die Tage am Glockner sehr treffend wieder (ich war ja auch dabei :). Und vielen Dank für Euer Lob. Der Kurs mit Euch hat auch mir große Freude gemacht.
    Franz