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Das ist Österreich? Teil 4: Osttirol

Mit Maltatal, Mölltal und den Lienzer Dolomiten haben wir euch bereits von drei wunderschönen Gebieten erzählen dürfen. Zwei Stationen in Osttirol standen noch auf dem Programm. Von weiteren fünf Tagen voll herrlicher Hüttenbesuche, kristallklarer Eisseen, traumhafter Höhenwege, einer Tour im Antlitz des Großglockners und dem Besuch der Umbalfälle handelt der Abschluss unserer Reihe „Das ist Österreich?“

Zeitig am Morgen starteten wir Richtung Ainet, um von dort zum Wanderparkplatz Leibnitzbachbrücke abzubiegen. Glückskinderbonus: Es war Samstag. Unter der Woche wäre die Straße zu dieser Zeit wegen Straßenbauarbeiten gesperrt gewesen… Spätestens am Übergang der engen Asphaltstraße zum abenteuerlichen Schotterweg (bewacht von einem Kaninchen) waren wir dann trotzdem unsicher, ob wir überhaupt noch weiterfahren durften und heilfroh, als wir ohne Gegenverkehr zehn Minuten später den Parkplatz an der urigen Holzbrücke erreicht hatten. Im wahrsten Sinne des Wortes ganz schön schattig gelegen und entsprechend frisch war es hier.

Schweinebraten auf 2322 Metern Höhe


Heute wollten wir der Empfehlung von Hüttenwirt Christian (siehe Teil 2) folgen und der Hochschoberhütte einen Besuch abstatten. Neugierig starteten wir auf den Eduard-Jordan-Weg durchs Leibnitz-Gatterl, das zu Bernds Enttäuschung leider nicht mit 52 Zähnen aufwarten konnte. Unter den neugierigen Blicken zweier ungewöhnlicher Waldbewohner folgten wir dem schmalen Pfad entlang des rauschenden Leibnitzbachs.

Die Sonne kroch langsam über die Bergspitzen und tauchte die taufrischen Wiesen in ihr wärmendes Licht. Auf dem Weg durch einen märchenhaften Wald querten wir mehrfach - glücklicherweise über Brücken - den Fluss mit seinen zahlreichen sprudelnden Stromschnellen. Hinter der Hütte der nicht bewirtschafteten Leibnitzalm auf 1908 Metern Höhe wurde der Aufstieg wieder steiler, bis wir über eine weitere Brücke, deren Geländer den Winter nicht überstanden hatte, eine sattgrüne Almwiese erreichten. Dahinter stürzte ein stattlicher Wasserfall eine imposante Steilstufe hinab.

Auf der rechten Seite dieser Wand führte gerade ein Hirte seine Schafe die Serpentinen hinauf. Wir folgten der Karawane und genossen unterwegs das atemberaubende Panorama beim Blick zurück in das wildromantische Tal. Einige vermeintliche Übernachtungsgäste kamen uns von oben entgegen. Die Hütte sollte also nicht mehr allzu weit entfernt sein. Und tatsächlich: Rund zwei Stunden nach dem Start tauchte die mit buddhistischen Gebetsfahnen geschmückte Hochschoberhütte am Fuße des gleichnamigen Bergs vor uns auf. Was für ein traumhaft schöner Aufstieg!

Ein unerwartet betörender Duft

Pflichtbewusst richteten wir dem äußert netten Hüttenwirt Harry zunächst die Grüße von Christian aus der Nossberger Hütte aus, bevor wir uns für eine Kaffeepause und ein nettes Pläuschchen mit anderen Gästen und dem Personal an diesem malerischen Ort niederließen. Aus der Küche strömte ein unerwartet betörender Duft. Harry hatte seinen offenbar weit bekannten Schweinebraten im Ofen. Wir erfuhren, dass einige Leute gar ausschließlich dafür den langen Aufstieg aus dem Tal auf sich nahmen. Da wir jedoch nicht bis zum Mittag warten wollten, vereinbarten wir stattdessen, pünktlich um fünf Uhr nachmittags zurück zu sein. Bernd hatte ein Date mit einer frischen Portion des so verführerisch riechenden Gerichts zum Abendessen.

Unser ursprünglicher Plan, über den Gartlsee bis zur Lienzer Hütte und von dort über den Südhang des Leibnitzkopfs zurück zur Hochschoberhütte zu wandern, war somit zeitlich, aber insbesondere auch schneebedingt vom Tisch. Stattdessen brachen wir auf zum Leibnitztörl Richtung See, denn den wollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Anschließend würden wir sehen, wie weit wir noch kommen würden. Wir folgten der Beschilderung hinter der Hütte durch den malerischen Talkessel. Nach einigen Restschnee- und Wasserquerungen folgte ein knackiger Anstieg durch felsiges Gelände. Wir machten schnell Höhe, während die Hochschoberhütte hinter uns kleiner und kleiner wurde.

Kurz vor Erreichen des Törls folgte eine improvisierte Leiter aus Holztritten und einer Seilsicherung. Danach, auf 2591 Metern Höhe, lag der Gartlsee im strahlenden Sonnenschein vor uns, noch größtenteils unter einer dicken Schnee- und Eisdecke schlummernd. Es war nahezu windstill und wir hatten diesen traumhaften Ort ganz für uns alleine. Einen besseren Platz für die Mittagspause konnten wir uns kaum vorstellen. Einfach nur atemberaubend.

Gemütlichkeit statt Risiko

Nachdem wir die Ruhe und die Aussicht ausgiebig genossen hatten, kämpften wir uns linker Hand am Ufer entlang. Die Wegmarkierungen waren teils nicht zu sehen und wir kraxelten über das oft schneebedeckte Feld aus Felsblöcken. Zeitraubend und abenteuerlich, aber wir hatten es ja nicht eilig. Gegen ein Uhr mittags erreichten wir die andere Seite des Schartenübergangs und den Abzweig hinab zur Lienzer Hütte.

Statt dort hinabzusteigen und zeitlich bedingt Gefahr zu laufen, unser Date zu verpassen, wollten wir alternativ versuchen, das Schobertörl zu erreichen. Doch bereits eine halbe Stunde später standen wir vor einem schier endlosen, bedrohlich steilem Schneefeld. Auf Risiko hatten wir an diesem wundervollen Tag definitiv keine Lust und beschlossen daher umzukehren. Für den Blick ins Tal hatte sich der Abstecher dennoch gelohnt.

So würden wir wenigstens noch etwas mehr Zeit am Gartlsee mit seiner einzigartigen Kulisse verbringen können. In gemütlichem Tempo begaben wir uns auf den Rückweg. Statt eines weiteren Eisbads reichte es heute jedoch nur für einen flotten Temperaturcheck mit den Füßen, denn mittlerweile war es ziemlich zugig am Leibnitztörl geworden. Badeklamotten hatten wir ebenfalls nicht im Gepäck.

Lockere Gespräche und leckere Verpflegung

Wegen des auffrischenden Winds machten wir uns dann doch früher als erwartet an den Abstieg und erreichten schon eine Stunde früher als geplant wieder die Hütte. Bei lockeren Gesprächen mit Gleichgesinnten und leckeren Getränken fiel es uns leicht, die Zeit bis zum Abendessen zu überbrücken. Schön, wenn sich das Warten dann auch noch derart lohnt. Wir konnten jedenfalls absolut nachvollziehen, warum manch einer allein wegen des köstlichen Essens diese Hütte besuchte und waren sehr dankbar, für die großartige Empfehlung.

Glücklich und zufrieden machten wir uns im Anschluss zunächst auf den Weg zum Parkplatz und von dort aus zum Nationalpark Camping in Kals am Großglockner, einem terrassenförmig angelegten Gelände in überraschend ruhiger Lage, umgeben von einem prächtigen Bergpanorama. Lediglich das protzige Gradonna Mountain Resort wollte so gar nicht in die wunderschöne Landschaft passen.

Nebel auf der Blauspitze


Für den heutigen Sonntag war ab nachmittags heftiger Regen vorhergesagt. Schon morgens zeigte sich der Himmel bedeckt mit lauter grauen Wolken. Da wir jedoch auch schneebedingt längst nicht mehr dran glaubten, noch einen Dreitausender zu schaffen, mussten wir nicht lange überlegen und strichen die Kendlspitze von der geplanten Tour. Zumindest ein Besuch auf der Blauspitze sollte es werden, jedoch würden wir uns den Aufstieg heute sparen. Nach dem Frühstück wanderten wir Richtung Gondelstation in Kals auf einem Ökolehrpfad für Kinder entlang des Kalserbachs, wo wir bald die Kalser Stockmühlen passierten, eine Art Freilichtmuseum mit 250 bis 300 Jahre alten Holzbauten.

Durch das noch verschlafene Örtchen erreichten wir kurz vor neun Uhr morgens die soeben öffnende Talstation und fuhren als erste Gäste des Tages hinauf in den Nebel. Zwanzig Minuten später standen wir auf 2400 Metern Höhe vorm Panoramarestaurant Adlerlounge. Bis zu sechzig Dreitausender soll man von hier aus sehen können. Aktuell zählten wir jedoch ziemlich genau null. Egal, vielleicht riss es ja später noch auf.

Wir wanderten entlang eines Mountainbike Trails in nördlicher Richtung bis zum 200 Meter tiefer gelegenen Kals-Matreier-Törl-Haus hinab, wo wir eine kurze Kaffeepause einlegten. Unterwegs konnten wir immerhin einen Blick über die Mittelstation hinweg ins Tal erhaschen. Hinter der Hütte ging es anschließend wieder steil nach oben bis zur Kalser Höhe auf 2434 Metern Höhe. Die Wolken zeigten sich zumindest zeitweise versöhnlich, denn sie gaben den Blick frei auf den im jenseitigen Tal gelegenen Ort Matrei in Osttirol.

Weiß, Grau und Blau

Wir folgten dem Kamm, umrundeten kleinere Vorgipfel und erreichten eine Scharte, nach der wir über brüchiges Terrain zum Weißen Knopf gelangten. Um diesen 2578 Meter hohen Gipfel herum wand sich ein teilweise mit Drahtseilen und Stufen gesicherter Steig nach oben in das schier endlose Grau des Nebels. Es herrschte eine gespenstische Atmosphäre, als wir unseren Weg über den Grat Richtung Blauspitze fortsetzten. Vorteil der schlechten Sicht: Schwindelfreiheit spielte diesmal nur eine untergeordnete Rolle. Trittsicherheit dagegen umso mehr, wobei wir den Weg nicht sonderlich schwierig fanden.

Kurz bevor wir die Spitze des 2575 Meter hohen, von blaufarbigem Gestein geprägten Bergs erreichten, wurde die Wolkendecke wieder lichter und gab den Blick auf das Gipfelkreuz frei. Zur Mittagspause auf diesem - zumindest bei gutem Wetter - zu den schönsten Aussichtspunkten der Umgebung zählenden Gipfel beobachteten wir gespannt das Wolkenspiel. Würden wir einen Blick auf unseren Bus erhaschen können? Tatsächlich. Keine halbe Stunde nach unserer Ankunft gewährten uns die Wolken einen flüchtigen Blick auf den Campingplatz.

Frisch gestärkt begaben wir uns gegen halb eins auf die gut 1000 Höhenmeter Abstieg. In engen Serpentinen ging es zügig hinab Richtung Tal und bereits eine knappe Stunde später erschien das Gipfelkreuz wieder winzig klein auf dem markanten Felszahn. Unser Weg kreuzte mehrfach einen Forstweg und die Pisten des hiesigen Skigebiets. Etwa auf gleicher Höhe wie die Mittelstation der Gondelbahn gegenüber konnten wir noch mal einen Blick auf die Adlerlounge oberhalb davon werfen.

Wir versuchten dennoch nicht zu trödeln, da uns bereits erste Ausläufer des Regengebiets mit kleineren Schauern begrüßten. Über ein letztes Teilstück auf einer Skipiste mit eindrucksvollem Gefälle erreichten wir den Wald und nach knapp drei Stunden Abstieg gerade noch rechtzeitig vor dem einsetzenden Starkregen den Campingplatz. Bis in die Nacht schüttete es mit kurzen Unterbrechungen mehrfach wie aus Eimern. Um uns herum bildete sich ein regelrechter See. Doch wir waren froh über die kleine Zwangspause, allerdings noch mehr darüber, dass für den nächsten Tag wieder Sonnenschein vorhergesagt war.

Die Eintages-Hüttentour


Der Wetterfrosch hatte nicht gelogen. Wir erwachten bei strahlend blauem Himmel und genossen das Frühstück mit frischen Brötchen, die wir am Vortag noch vorbestellt hatten. Auch hier: Fantastischer, überaus freundlicher Service! Würde die Abschlusstour wie schon an den bisherigen Stationen erneut unser Highlight des Gebiets werden? Der Sonne nach zu urteilen standen die Chancen schon mal nicht schlecht. Außerdem war mit der Stüdlhütte der vermutlich höchste Punkt der gesamten Reise angesagt. Von dieser aus wollten wir bis zur Glorer Hütte und zurück zum Startpunkt am Lucknerhaus wandern - eine Eintages-Hüttentour sozusagen.

Gegen acht Uhr erreichten wir über die mautpflichtige Kalser Glocknerstraße den riesigen Wanderparkplatz im Antlitz des Großglockners. Wir waren zwar im Besitz einer Gästekarte vom Campingplatz, mit der wir uns den Obolus angeblich hätten sparen können, doch interessierte das den Parkautomaten herzlich wenig. Sei’s drum. Unbeirrt starteten wir in Richtung „seiner Majestät“, die im Sonnenlicht erstrahlte. Durch das schattige Ködnitztal folgten wir dem Lehrpfads, der Wissenswertes über die Natur und Geologie des Nationalparks Hohe Tauern vermitteln wollte, doch hatten wir nur Augen für die Bergwelt um uns herum.

Nach etwa einer halben Stunde folgte ein steiler Anstieg, der teilweise auf dem Fahrweg verlief. Ein faszinierender Wolkenschleier verhüllte den Großglockner, als wir pünktlich zur Kaffeepause die Lucknerhütte auf 2241 Metern Höhe erreichten. Während wir die Sonnenterrasse genossen, machten sich immer wieder gut ausgerüstete Bergmenschen von der Hütte aus auf den Weg. Allgemein fiel uns auf, dass hier deutlich mehr los war, als auf den meisten bisherigen Touren. Kein Wunder: Der Weg zur Stüdlhütte gilt als durchaus familienfreundlich und die Aussichten waren fantastisch. Außerdem war sie einer der wichtigsten Ausgangspunkte für eine Glocknerbesteigung.

Murmeltiere und andere kuriose Begegnungen

Nach nur kurzer Rast wagten wir uns an die nächste, knapp 600 Höhenmeter umfassende Etappe. Der Weg war tatsächlich nicht besonders schwierig, teilweise aber knackig steil. Schon wenig später überholten wir einen schwer schnaufenden Recken, der während unserer Pause in einer Dreiergruppe von der Lucknerhütte aus gestartet war. Seine beiden Begleiter waren bereits ein gutes Stück voraus. Während wir am Wegesrand ein vorwitziges Murmeltier erspähten, dass sich so gar nicht von den Touristen beeindrucken ließ, feixten wir insgeheim, dass dieser Bursche am Vorabend wohl einen über den Durst getrunken haben musste…

Bald hatten wir die grünen Almwiesen hinter uns gelassen und die Umgebung wurde felsiger. Die beiden Mitstreiter der Dreiergruppe hatten wir schnell eingeholt. Sie bestätigten lustigerweise unsere Vermutung über ihren Saufkumpanen. Jäh mussten wir die beiden Plaudertaschen unterbrechen und unsere Kamera zücken: Etwas über uns entdeckten wir plötzlich einen jungen Steinbock, der vermutlich genauso fasziniert von uns war, wie wir von ihm. Weiter oben lugten zu unserer Entzückung noch die imposanten Hörner eines ausgewachsenen Exemplars hervor. Wahnsinn, wir waren überglücklich, die Könige der Alpen gesehen zu haben.

Auf dem letzten Teilstück bis zur Hütte erzählten uns die jungen Polen dann noch voller Stolz, dass sie auf dem Weg zur Erzherzog-Johann-Hütte seien, von wo aus sie am nächsten Morgen den Großglockner besteigen wollten. Ihr einzige vorherige Bergerfahrung: Die Besteigung des 2500 Meter hohen Rysy, der höchste Berg Polens. Mit einem Kater, kaum Erfahrung und begrenzter Akklimatisierung auf fast 3500 Meter Höhe zur Adlersruhe genannten Unterkunft, von dort auf den Großglockner - und das ohne Bergführer? Respekt! Wir hoffen heute noch inständig, dass diese Expedition ein gutes Ende genommen hat…

Vom König der Alpen zum König der Lüfte

Gegen elf Uhr erreichten wir das von dieser Seite wie eine umgekippte Tonne auf der Fanatscharte liegende Gebäude auf 2801 Metern Höhe. Ein außergewöhnlicher Anblick mitten in der nicht weniger spektakulären Bergwelt. Leider hatte es sich ziemlich zugezogen. Den Großglockner sollten wir später an diesem Tag nur noch einmal kurz beim Blick zurück aus den Wolken lugen sehen. Alternativ genossen wir eben die Aussicht hinab ins gegenüberliegende Teischnitztal, bevor wir uns auf der Terrasse neben einem gigantischen Schneehaufen niederließen und erst mal ein kühles Radler und anschließend eine wärmende Suppe genossen. Die Polen verzogen sich stattdessen lieber nach Drinnen ins Warme. Weicheier!

Eine halbe Stunde später waren wir schon wieder unterwegs auf dem Höhenweg oberhalb des Ködnitztals parallel zum Hang in südlicher Richtung. Was für eine Kulisse. Bis zur Lucknerhütte und bald sogar hinab bis zum Parkplatz konnten wir blicken. Eine ganze Ameisenstraße an Wanderern kämpfte sich mittlerweile die Serpentinen unter uns nach oben - dort, wo aus wir am Morgen die Steinböcke gesichtet hatten.

Und was für ein abwechslungsreicher Weg das hier oben war. Über Schneefelder (was sonst?), durch Geröll- und Schottergräben und über eine auffällige Kante, die uns schon vom Tal aus ins Auge gestochen war, führte der Pfad durch die beeindruckende Bergwelt.

Unsere Highlights waren selbstverständlich die seilversicherten, einfachen Klettereinlagen. Insbesondere ein leicht abschüssiges Holzbrett mit vierkantigen Stufen sorgte für Aufsehen. Und immer wieder spitzte die Sonne durch die nicht mehr ganz so dichte Wolkendecke. Ein Traum.

Doch es wurde tatsächlich noch besser. Innerhalb einer Viertelstunde (kein Witz!) erspähten wir zunächst ein im Sommerkleid hervorragend getarntes Alpenschneehuhn-Pärchen, kurz darauf die Murmeltier-Daltons, gefolgt von einer zotteligen Gämse (vielleicht im Fellwechsel?). Als krönenden Abschluss gaben sich noch die Könige der Lüfte, zwei Steinadler, die Ehre und zogen ihre Kreise hoch über unseren Köpfen.

Zünftige Begrüßung auf der Glorer Hütte

Nach einem knackigen, finalen Anstieg erreichten wir die Medelspitze und ließen das wundervolle Panorama auf uns wirken. Zwar waren die Wolken erneut dichter geworden, doch hingen sie hoch genug, um uns den fantastischen Weitblick nicht zu vermiesen. So sahen also Adlerlounge, Weißer Knopf und Blauspitze ohne Nebel aus. Wen störte es da schon, dass der Glockner gerade nur noch zu erahnen war?

Von hier brauchten wir keine halbe Stunde mehr bis zum noch immer tief eingeschneiten Wegweiser vor der Glorer Hütte auf 2642 Metern Höhe. Schon wieder waren wir die einzigen Gäste, die sich trauten, im Außenbereich mit Blick Richtung Leitertal und Salmhütte Platz zu nehmen. Was war nur mit den Leuten hier los? Zur Begrüßung gab es zu unserer Überraschung erst mal einen Schnaps aufs Haus. Zur herzhaften Brettljause kam dann gleich noch einer hinterher. Zünftig!

Schließlich half alles nichts: Bevor uns die freundliche Bedienung noch einen dritten bringen würde, machten wir uns lieber ans streckentechnisch letzte Drittel der heutigen Runde, dem Abstieg zurück zum Lucknerhaus. Glücklicherweise führte ein bequemer Weg zwischen Almwiesen und zahlreichen Murmeltieren in vielen Kehren hinab, so dass wir problemlos den Blick auf die Kulisse um uns herum genießen konnten.

Lag es eigentlich an den zwei Stamperln oder transportierte die Materialseilbahn heute wirklich ungewöhnliches Gut? Egal. Auf jeden Fall wissen wir nicht, ob wir uns ohne das hochprozentige Zeug so unangenehm nahe an zwei gemütlich am schmalen Wegesrand liegenden Kühen vorbei getraut hätten… Gegen fünf Uhr abends erreichten wir jedenfalls sicher den Parkplatz, fuhren gemütlich zurück zum Campingplatz und befanden einstimmig, dass sich der Besuch in Kals schon alleine wegen dieser großartigen Runde mehr als gelohnt hatte.

Grande Finale am vorletzten Tag


Am nächsten Morgen verließen wir zeitig den Campingplatz und fuhren durchs Kalser Tal zurück zum Iseltal und von dort in nördlicher Richtung bis Matrei in Osttirol, wo wir nach Westen ins Virgental abbogen. Gegen neun Uhr erreichten wir den gebührenpflichtigen Parkplatz Bodenalm, der Startpunkt unserer heutigen Tour auf 1688 Metern Höhe. Bei strahlend blauem Himmel folgten wir dem Pfad zwischen den Serpentinen der Almstraße bis zur leider nicht mehr bewirtschafteten Bodenalm durch die heidieske Bergidylle.

Vorbei an einer Herde Kühe folgten wir der gemütlichen Piste bis zur Brücke über den Timmelbach und anschließend ins gleichnamige Tal hinein. Schon hier konnten wir unser erstes Etappenziel, die auf 2521 Metern Höhe gelegene Eisseehütte, gut ausmachen. Wir passierten ein mannshohes, glücklicherweise frei gefrästes Schneefeld und drangen tiefer in das malerische Tal mit seinen grünen Berghängen und zahlreichen Wasserfällen vor.

Etwa zur Talmitte hin verließen wir den Fahrweg und überquerten den Fluss. Von nun an ging es zunächst über oft feuchten Untergrund bis ans Talende und von dort über Serpentinen parallel des mehrstufigen Wasserfalls des Timmelbachs mal mehr, mal weniger steil nach oben. Pünktlich zur Mittagspause erreichten wir die traumhaft auf der Anhöhe gelegene Hütte. Was für eine Aussicht. Von der gemütlichen Sonnenterrasse aus konnten wir das gesamte Tal überblicken. Wahnsinn! Nur am Rand nahmen wir Notiz von einer Gruppe Holländer, von denen einer eine kapitale Schürfwunde am Bein aufwies.

Eisseebad Reprise…

Bernd musste schmunzeln, als die Bedienung uns mit fränkischem Akzent begrüßte und wir kamen ins Gespräch: Ob wir zum Eissee wollten? Zugegeben: Beim Namen der Hütte hätten wir es uns denken können, doch auf dem Plan hatten wir den Besuch bis jetzt nicht. Die eine Seite des Rundwegs sei gut begehbar, lediglich einen Zufluss des Timmelbachs müssten wir überqueren, in der anderen Richtung läge noch etwas mehr Schnee, wäre aber auch machbar. Spontanität ist ja quasi unser zweiter Vorname und so machten wir uns auf den „kleinen“ Umweg, obwohl wir die gestrige Tour noch deutlich in den Knochen spürten.

Unmittelbar hinter der Hütte ging es zur Abwechslung mal durch Schnee hindurch, statt schnöde darüber hinweg, und anschließend über stufiges Gelände weiter nach oben. Neben einem Murmeltier trafen wir auch auf ein hier normalerweise gar nicht heimisches Exemplar der Gattung Sherco, sehr kurios. Wir kraxelten über die felsigen Hinterlassenschaften des Garaneberkees und fanden nach längerer Suche eine geeignete Stelle über den Bach.

Nur von diesem Eissee war weit und breit noch nichts zu sehen. Irgendwann musste der doch langsam mal auftauchen. Wir erreichten einen Kamm und siehe da: gut fünfzig Meter unter uns lag er und machte seinem Namen alle Ehre. Der Abstieg hatte es in sich, denn die gerölligen Serpentinen waren teils noch schneebedeckt und daher besonders rutschig. Eine Viertelstunde später genossen wir die Einsamkeit und Ruhe auf 2661 Metern Höhe. Reinspringen? Die Eisbad-Saison hatten wir ja ohnehin schon eröffnet. Die Unterwäsche als improvisierte Badesachen würden in der Sonne sicherlich schnell trocknen. Wir bestimmt auch. Gesagt, getan. Ob das Wasser wirklich wärmer war, als im Laserzsee, oder ob das reine Einbildung war, können wir auch nicht mit Sicherheit sagen.

…und ein unfreiwilliges Fußbad hinterher

Wir hätten die Stille und die traumhafte Kulisse noch den ganzen Tag genießen können, doch so langsam drängte die Zeit. Trotzdem entschieden wir uns, den Rundweg durch das ehemalige Gletschertal zu Ende zu gehen, anstatt über den bereits bekannten Abschnitt zurückzukehren. Wir wurden mit einem prächtigen Farbenspiel belohnt, allerdings ging auf dieser Seite auch ein Schneefeld ins nächste über. An sich nicht weiter schlimm, doch mussten wir teilweise aufpassen, nicht einzubrechen, so weich war die Schneedecke an einigen Stellen.

Plötzlich standen wir vor demselben Schmelzwasserfluss, den wir bereits auf dem Hinweg überquert hatten. Dummerweise war dieser hier unten zu einem beachtlichen Delta angewachsen und es gab weit und breit keine Möglichkeit, ohne größeren Umweg trockenen Fußes das andere Ufer zu erreichen. Vorsichtig, jedoch auch nicht zu langsam, tasteten wir uns durch das eiskalte Wasser. Was für eine ungeplante Erfrischung. Wir waren froh, als wir gegenüber unsere Füße noch spürten und unseren Weg wieder ungehindert fortsetzen konnten.

 

Hinter einem weiteren, gefühlt endlosen Schneefeld oberhalb des Timmelbachs machte der Weg eine Biegung und wir erreichten den Ausgang der Talstufe. Wir trafen auf eine Herde Schafe und konnten wenig später endlich die Eisseehütte sehen. Fast drei Stunden nachdem wir von dort gestartet waren, gönnten wir uns eine kurze Kaffeepause, machten uns aber sofort wieder auf den Weg. Es war mittlerweile vier Uhr nachmittags. Dennoch wollten wir uns den nächsten Abschnitt auf dem Venediger Höhenweg nicht entgehen lassen. Aus diesem Grund waren wir ja in erster Linie hier hoch gekommen.

Adrenalinhaltiger Umweg

Der Weg führte zunächst ein kleines Stück bergab, bevor er nach links in den östlichen Hangbereich des Timmeltals abzweigte. Wir überquerten problemfrei zwei südwestlich auslaufende Bergkämme vom Großen Hexenkopf und Hohen Eichham auf dem bisher nahezu eben verlaufenden Steig. Unter uns erspähten wir eine Murmeltiermutter mit ihrem zuckersüßen Jungtier, vor uns breitete sich das fantastische Bergpanorama aus. Einfach unbeschreiblich schön!

Nach einer glücklicherweise trockenen Flussquerung erblickten wir in der Ferne eine Steintreppe. Wir waren gespannt, was uns dort erwarten würde. Zunächst hatten wir jedoch ein anderes Problem: Wir standen plötzlich vor einer steilen Wasserrinne, über die eine nur noch hauchdünne Schneedecke führte. Über uns kreiste ein Bartgeier, deutlich erkennbar am keilförmigen Schwanz und der orange-braunen Bauchfärbung. Zufall? Wir suchten nach einem Ausweg, denn umkehren wollten wir keinesfalls.

Vielleicht zehn Meter über uns erspähte Marion einen größeren Felsblock. Von dort sollte eine gefahrlose Überquerung möglich sein. Auf allen Vieren krochen wir nach oben und fanden einige Schleifspuren an einer erdigen Stelle vor. Wir ignorierten den Gedanken an den Anblick des verletzten Holländers vom Mittag und kämpften uns auf der gegenüber-liegenden Seite des Flusses vorsichtig wieder zum Weg hinab. Genug Adrenalin für heute. Zwar wurde der Weg ab der Steintreppe etwas anspruchsvoller, war aber an den entscheidenden Stellen immer gesichert. So machte das wieder Spaß.

Verdutztes Rehkitz

Statt der Abzweigung ins Tal zu folgen, blieben wir auf dem Höhenweg, da es zeitlich kaum einen Unterschied gemacht hätte und das Wetter mittlerweile wieder traumhaft war. Von der Aussicht ganz zu schweigen. Am Südwestgrat der Wunwand passierten wir zahlreiche massive Lawinenschutzkonstruktionen - fast ebenso beeindruckend, wie die atemberaubenden Ausblicke über das Virgental. Mitten durch ein kleines Blockfeld und dahinter durch steil abfallendes Wiesengelände führte der schmale Pfad auf nahezu gleichbleibender Höhe den Hang entlang Richtung Bonn-Matreier-Hütte.

Kurz vor dem Anstieg zum Eselsrücken bogen wir rechts Richtung Wunalm ab und folgten den Serpentinen hinab ins Tal. Wir warfen einen letzten Blick zurück auf die imposante Wunwand und stießen auf ein kurioses, da rosafarbenes Fleckchen Restschnee, welches Marion kurzerhand für eine kleine Rutschpartie nutzte. Gegen sieben Uhr erreichten wir endlich die Baumgrenze und mussten für den teils knackig steilen, finalen Abschnitt unsere letzten Kraftreserven mobilisieren.

Gegen acht Uhr abends kamen wir nach elf Stunden an der frischen Luft unter den verdutzten Blicken eines Rehkitzes, das so spät wohl auch nicht mehr mit Wanderern gerechnet hatte, am Parkplatz an. Erschöpft machten wir uns auf zur letzten Station unserer Reise, dem etwas in die Jahre gekommenen Campingplatz Bergkristall in Hinterbichl, der von Bergen umrahmt am Zusammenfluss von Dorferbach und Isel liegt. Klingt idyllisch, war aber lauter, als uns lieb war. Wir beschlossen, die phänomenale Tour dieses Tages als großes Finale zu betrachten, da sie von allem, was uns lieb war, etwas zu bieten hatte. Am Folgetag wollten wir es deutlich gemütlicher angehen lassen.

Endlich Urlaub!


Nachdem wir ausgeschlafen und in Ruhe in der Sonne gefrühstückt hatten, packten wir nur einen kleinen Rucksack für einen Spaziergang zu den Umbalfällen. Auf dem Rückweg wollten wir noch dem Kletterpark Großvenediger einen Besuch abstatten. Ja, für uns ist das gemütlich. Tierische Begegnungen sollten auch heute nicht ausbleiben und so begrüßten uns gleich beim Start zwei neugierige Wiesel-Jungtiere auf der Holzbrücke hinter dem Campingplatz. 

Wir folgten dem unspektakulären Forst- und Feldweg vorbei an grasenden Kühen bis zur Iselschlucht, in welcher der gleichnamige Fluss tosend einige Stufen hinab stürzte. Bald tauchte rechter Hand der Parkplatz Ströden auf, wo eine kleine Kapelle malerisch auf einem Almhügel stand. Wir bogen nach links auf den steil ansteigenden Fahrweg ab, auf dem man sich alternativ auch per Pferdewagen nach oben kutschieren lassen kann.

An der Islitzeralm nahe des Kleinbach-Falls gönnten wir uns zunächst eine süße Stärkung in Form von Germknödel und Topfenstrudel, bevor wir uns flussaufwärts auf den Wasserschaupfad begaben. Ob es nun am wolkigen Wetter, dem wenig abenteuerlichen Weg oder der immer größer werdenden Masse an Menschen lag, können wir nicht genau sagen, doch uns konnten die über zahlreiche Stufen ins Tal tosenden Wassermassen nur mäßig begeistern.

Kehrtwende kurz vor Italien

Auf einer Infotafel am Ende des Lehrpfads waren „Österreichs Big Five“ - Murmeltier, Bartgeier, Steinbock, Gämse, Steinadler - abgebildet, die wir tatsächlich alle auf dieser Reise gesehen hatten - Glückskinderbonus. Kurz darauf machten wir an einer Brücke kehrt, ohne uns bewusst zu sein, dass wir nur wenige Kilometer von der italienischen Grenze entfernt waren. Wir hatten ja noch etwas vor im Tal und so folgten wir demselben Weg hinab zum Kletterpark, der inmitten eines Lärchenwalds am Eingang des Maurertals lag. Der Parkplatz nahe der Kapelle war mittlerweile gut gefüllt.

Nach der obligatorischen Einweisung waren wir ganz in unserem Element und tobten uns die folgenden drei Stunden auf den kreativ und abwechslungsreich gestalteten Parcours aus. Egal ob auf einem luftigen, unsichtbaren Fahrrad strampelnd, beim Ritt auf einem Melkschemel oder dem vermeintlichen Highlight, der aus zehn Seilrutschen bestehenden Air Line Tour: wir hatten einen Heidenspaß. Auch eine Traverse entlang eines Felsens haben wir in dieser Form noch nicht erlebt. Ein wundervoller Abschluss, bevor wir zum Campingplatz zurückkehrten und vor unserer letzten Nacht alles für die Heimreise vorbereiten.

Unsere Meinung zur Reise


Wer alle vier Teile gelesen hat, hat es sicherlich bereits gemerkt: Österreich hat uns mehr als positiv überrascht und nachhaltig beeindruckt. Beim Abholen des Kompanja meinte Jörg von Cologne Camper mehr im Spaß zu uns „Österreich wird ja auch das Norwegen des Südens genannt“. Für uns war es das und darüber hinaus auch ein mehr als würdiger Ersatz.

 

Die wildromantischen Täler mit ihren irrwitzig vielen Wasserfällen beim Erwachen nach dem harten Winter erleben zu dürfen, die malerischen Bergpanoramen und zahlreichen tierischen Begegnungen, die Hüttenkultur mit ihren liebevollen, teils etwas schrulligen Begegnungen und kulinarischen Schmankerln, und die traumhaften Eisseen mit ihren atemberaubenden Kulissen, oft ganz für uns alleine - uns fehlen die Worte. Ein Traum.

 

Wir durften vielseitige, herausfordernde und abwechslungsreiche achtzehn Tage erleben und sind dafür überaus dankbar. Wie schon im Vorjahr in Slowenien gelernt, erfordert das Bergwetter eine gute Prise Spontanität und Flexibilität, doch darin sind wir längst geübt. Wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischen kommt, steht für uns eines definitiv fest: Der Norden muss warten, denn wir wollen im Jahr 2022 für eine zünftige Hüttentour zurückkehren ins „Norwegen des Südens“.

Reisedetails

Reisetitel

Das ist Österreich?


Gebucht bei

Dauer 

Auf eigene Faust

20 Tage


Reisetermin

19. Juni bis 08. Juli 2021


Unterkunft

Kompanja von Cologne Camper


Nebenkosten

pro Person

Mautstraßen zwischen 7-37 Euro

Übernachtung auf Campingplatz zwischen 20-40 Euro

Vignette (2x10 Tage) 19 Euro

Eishöhle Bergsteigerticket (ohne Seilbahn) 16 Euro


Fortbewegung

Camper zwischen den Startpunkten, sonst zu Fuß


Zahlungsmittel

Euro (Bargeld für die Hütten!), Kreditkarte


Mobilfunk

EU-Roaming; Mobilfunk-Empfang ortsabhängig


Besonderheiten

Denkt an genügend Bargeld für die Hüttenbesuche und informiert euch über die saisonalen Öffnungszeiten.


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Kommentare: 1
  • #1

    Vielguth Kerstin (Montag, 01 November 2021 12:28)

    Sehr schön. :-)

    wieder eine Reise "mitgemacht", viel Interessantes erfahren und super schöne Bilder gesehen, ohne die Beschwerlichkeit solcher Touren ertragen zu müssen.

    Gestern hat mir bereits der Anstieg von Breitenbrunn zur Luisenburg gereicht, fragt Zenz. ;-)

    Alles Liebe Euch!