Nachdem wir in den ersten drei Tagen im westlichen Teil der Sächsischen Schweiz unterwegs waren, stand für den Rest der Woche die Erkundung des östlichen Teils des Elbsandsteingebirges bis an die tschechische Grenze an. Wir waren insbesondere gespannt, welche Abenteuer die zahlreichen Stiegen und Klettersteige bereit halten und wie wir den zu erwartenden Massen am Vatertag entgehen können würden. Von der für das Wochenende anstehenden Planänderung ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nichts...
Stiegensuche und Schachspiel in der Boofe
Am Morgen fuhren wir zunächst für Frühstück und frische Lebensmittel zum Supermarkt nach Bad Schandau. Es war ziemlich bewölkt, weshalb wir uns etwas Sorgen machten, ob es trocken bleiben würde. Wir hatten für diesen Tag die ersten Stiegen zum Klettern eingeplant, was wir definitiv nicht bei Regen versuchen wollten. Ab Mittag sollte es aber aufreißen und schöner werden. Daher beschlossen wir, es einfach zu versuchen, und fuhren zum Startpunkt, einem Wanderparkplatz an der Elbe zwischen Bad Schandau und Schmilka.
Von dort liefen wir bei leichtem Nieselregen, der aber schnell wieder aufhörte, zunächst ein Stück entlang der Elbe Richtung Osten, bevor wir kurz vor Ortsanfang auf die andere Straßenseite wechselten und einem bergauf führenden Forstweg folgten. Von diesem bogen wir kurze Zeit später scharf links ab und stiegen auf einem urigen Weg zum Elbleitenweg hinauf. Auf diesem ging es ein kleines Stück Richtung Westen und anschließend rechts ab Richtung Rauschengrund, auf der Suche nach der Starken Stiege. Trotz vorherigem Intensivstudiums der Karte konnten wir den Einstieg leider nicht finden. Das GPS des Smartphones war zwischen den Felsen auch alles andere als genau. Vermutlich waren wir schlicht an der falschen Stelle.
Ein wenig enttäuscht folgten wir dem unteren, statt dem oberen Terrassenweg, bis wir zu den „Falknertürmen“ gelangten, wo eine kleine Klettereinlage zwischen den Felsen hindurch unsere Laune schnell wieder heben konnte. Trotz wolkigem Wetter war die Aussicht erneut herrlich. Wir passierten gleich mehrere Boofen, offizielle Freiübernachtungsstellen für Kletterer. An einer waren zwei Naturburschen am Schachspielen, während wir an einer anderen nur die Schlafsäcke vorfanden. Deren Besitzer waren vermutlich gerade an einem Kletterfelsen zugange. Über den letzten Abschnitt der Rotkehlchenstiege gelangten wir nach einer heiteren, kleinen Klettereinlage endlich auf den oberen Terrassenweg.
Showdown an der Brechstange
Während Marion am Muschelkopf noch die Form des Felsens imitierte und den Daumen in die Luft streckte, sollte es kurz danach zum Showdown zwischen Bernd und seiner latenten Höhenangst kommen. An einer Felsnase namens Brechstange wurde der Weg plötzlich extrem schmal. Daneben ging es geschätzte 50 bis 70 Meter senkrecht in die Tiefe. Zwar war ein metallener Handlauf in den Stein getrieben, trotzdem war die Stelle nichts für schwache Nerven. Umdrehen wollten wir aber nur sehr ungern und suchten nach einer Alternative. Tatsächlich gab es eine Spalte, durch die man klettern und so den schmalen Abschnitt umgehen konnte. Während Bernd sich mit dieser Variante deutlich wohler fühlte, entschied sich Marion dagegen. Nachdem Bernd die Kletterpassage gemeistert und den weiteren Weg für gut befunden hatte, folgte Marion unerschrocken entlang des Handlaufs um die Felsnase und wir konnten unseren Weg gemeinsam fortsetzen. Vielleicht hätten wir den Muschelkopf doch besser als erhobenen Zeigefinger interpretiert...
Wir erreichten das obere Ende der Heiligen Stiege und saugten auch diese Aussicht vom Plateau auf, bevor wir die schier endlose Metalltreppe nach unten nahmen. Im Heringsgrund angekommen, einem von zahlreichen Kletterfelsen eingerahmten, breiten Tal nördlich von Schmilka, wanderten wir eine kleine Schleife bis zum Lehnsteig. Unser eigentlicher Plan war, uns von dort über den unteren Terrassenweg zur Rübezahlstiege durchzuschlagen, über die wir zum Reitsteig aufsteigen wollten. Doch auch mit der Suche nach dieser anspruchsvollen Stiege sollten wir erfolglos bleiben. An einer Stelle, an der wir auf allen Vieren einen tiefen Spalt hätten überqueren müssen, machten wir sicherheitshalber kehrt und stiegen wieder in den Heringsgrund hinab.
Zwar hätte es noch einen letzten Weg gegeben, der vielversprechend Richtung Rübezahlstiege deutete, doch zum einen hatten wir für heute genug Abenteuer, zum anderen war es bereits drei Uhr nachmittags und wir hatten noch ein gutes Stück vor uns. Wir entschieden also, zurück über die Heilige Stiege aufzusteigen, um von dort auf den ursprünglich geplanten Weg zu stoßen. Wieder oben angekommen folgten wir dem Zurückesteig. Diesen wundervoll abwechslungsreichen Weg würden wir im Laufe der Woche noch mehrfach nehmen, was uns zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht richtig bewusst war. Dort ging es zum Beispiel an einer Kette entlang den Fels nach oben, später eine kleine Klettereinlage nach unten und auf dem Spieß durch eine Art Felsenlabyrinth, hinter dem es über eine steile Treppe wieder hinab ging. Dazwischen lagen mehrere schöne Pausen- und Aussichtsplätze.
Kinnlade trifft auf Sandstein
Am Fuß der Treppe angekommen, wanderten wir entlang der Oberen Affensteinpromenade, einem gemütlichen Pfad auf mittlerer Höhe, in nordwestlicher Richtung bis zum Domerker, wo uns die Kinnlade fast bis zum Boden fiel. Bis rüber zu den Schrammsteinen und dem Falkenstein konnten wir blicken, dazwischen dichter Wald in den verschiedensten Grüntönen. Die Sonne strahlte durch die Wolken und beglückte uns mit einem Wechselspiel aus Licht und Schatten, dass wir immer wieder neue Fotos schießen mussten, so fasziniert waren wir. Für uns ganz klar die prächtigste Aussicht der gesamten Woche, weshalb wir es auch zu unserem Titelbild der Reise gekürt haben.
Anschließend nahmen wir die Kleine Domstiege, die uns zunächst entlang einer Felswand und weiter nach unten über Holztreppen und -leitern zum Wasserfall am Kleinen Dom führte. Viel Wasser gab es zwar nicht, doch der moosige Felsen mit seiner glatten Wasserspur sah trotzdem interessant aus. Zeit, ein wenig Strecke gut zu machen. Entlang des wildromantischen Sandlochwegs und des weniger spannenden Zeughauswegs marschierten wir bis zum Einstieg des Mittelwinkels an der Nordflanke der Schrammsteine.
Über den bis auf ein paar Leitern einfachen Steig erklommen wir die Schrammsteine, die wir auf dem Rückweg noch zu überqueren hatten. Selbstverständlich nicht ohne vorher noch die 360-Grad-Rundumsicht auf dem fast menschenleeren Berg zu genießen. Aufgrund der fortgeschrittenen Stunde haben wir uns die berühmte Schrammsteinaussicht gespart, stand diese doch ohnehin noch bei einer anderen Wanderung auf dem Plan. Im Nachhinein betrachtet hätten wir den kleinen Abstecher für die Aussicht im Abendlicht noch machen sollen, doch hatten wir so langsam wirklich Kohldampf.
Also machten wir uns an den Abstieg über den Jägersteig auf der Südseite. Der nachfolgende Rest des Heimwegs bestand aus gemütlichem Auslaufen über Schrammstein- und Elbleitenweg zu den ihrem Namen leider nicht gerecht werdenden Gute-Bier-Wänden. Bier gab es hier nämlich weit und breit leider keines. Davon unbeirrt steuerten wir auf die Elbe zu und kamen direkt oberhalb des Parkplatzes raus. Lediglich ein paar Serpentinen über einen Trampelpfad trennten uns noch vom Bus. Dort schnappten wir uns Gaskocher, Campingtisch und -stühle und setzten uns auf eine Wiese unten am Elbufer. Wie wir von einem kurze Zeit nach uns ankommenden Pärchen erfuhren, gehörte just diese Wiese früher zu einem kleinen Campingplatz, der dem Hochwasser von 2002 zum Opfer fiel. Dies erklärte auch das verfallene Sanitär- und Empfangshäuschen oben am Parkplatz. Wir ließen den Abend nach dieser knapp zwanzig Kilometer langen Abenteuertour mit einem romantischen, italienischen Dinner aus Dosenravioli und Rotwein im Sonnenuntergang ausklingen.
Planänderung an Vatertag
Da die Wettervorhersage für das anstehende Wochenende nicht sehr vielversprechend aussah, stellten wir spontan die Tourenreihenfolge um. Die für den Vatertag gedachte Tour durch die Richterschlüchte und entlang der tschechischen Grenze war von den drei verbliebenen die vermeintlich am wenigsten spektakuläre, weshalb wir sie mal vorsichtig auf Samstag schoben. Die Zwillingsstiege wollten wir zwecks Andrang keinesfalls am Feiertag machen, also blieb uns nur den geplanten großen Rundweg über Schrammsteine, Kuhstall und Flößersteig vorzuziehen, wohlwissend, dass auch auf dieser vermutlich eher einfachen Strecke jede Menge Menschen unterwegs sein würden.
Nachdem wir uns abermals beim Supermarkt in Bad Schandau mit Proviant eingedeckt hatten, fuhren wir in aller Herrgottsfrühe zum heutigen Startpunkt, einem Stellplatz mit Kasse des Vertrauens bei den Falkenstein-Hütten. Nach einem kurzen Frühstück am Camper starteten wir bei strahlend blauem Himmel bereits kurz nach acht Richtung Zschiehädelweg - was zum Geier mag wohl ein Zschiehädel sein? Und wie um alles in der Welt spricht man das überhaupt aus? Egal, der urige Pfad durch den Wald, vorbei am Kleinen Backofen hinunter zum Wanderparkplatz am Zahnsgrund hat uns jedenfalls sehr gut gefallen. So durfte es gerne weitergehen. Wer die Strecke sehen will, findet sie nicht in der weiter oben verlinkten Route, sondern dank eines Schluckaufs der Komoot-App als gesonderte Wanderung in unserem Profil.
Wir überquerten die Straße und folgten dem gemütlichen Schießgrund, wo sich ein fotogenes Rotkehlchen an den ersten Sonnenstrahlen wärmte, die mystisch durch die Baumkronen schienen. Vom Schießgrund wechselten wir auf den Elbleitenweg bis zum Schrammtor, durch das wir den Schrammsteinweg erreichten. Bereits jetzt war spürbar, dass deutlich mehr los Wanderer unterwegs waren, als noch die Tage zuvor. An einer nicht mehr verwendeten, aus historischen Gründen aber erhaltenen Schutzhütte betraten wir den Wildschützensteig, um erneut die Schrammsteine zu erklimmen. Wie uns von unseren Freunden mitgeteilt wurde, kann es hier an schönen Wochenenden schon mal zum Stau kommen, weshalb dieser Steig auch nur im Aufstieg begangen werden darf. Auch wir trafen einige Leute, die sich die Steinstufen und Eisenleitern durch eine schmale Schlucht hoch arbeiteten.
Vatertagsgruppen und Schlimmeres
Bevor wir dem zum Teil vom Vortag bekannten Gratweg Richtung Osten folgten, wollten wir natürlich zunächst die legendäre Schrammsteinaussicht genießen. Nach ein paar weiteren Holzstufen und Kraxeleien erreichten wir gegen zehn Uhr morgens den nicht gerade weitläufigen, mit Eisengeländern gesicherten Aussichtsplatz. Atemberaubend. Neben den unmittelbar vor uns liegenden Torsteinen und dem Falkenstein konnten wir abermals bis zur Festung Königstein blicken. In östlicher Richtung sahen wir den Großen Winterberg und über die Elbe hinweg bis in die Böhmische Schweiz, den tschechischen Teil des Elbsandsteingebirges. Wir mussten bereits jetzt etwas Geduld bei den engen Passagen aufbringen. Als wir nach einer kleinen Stärkung etwa eine halbe Stunde später weiterzogen, kam uns ein weiterer, großer Schwung Menschen entgegen. Wir waren froh, die Aussicht vom Gratweg bereits am Abend zuvor genossen zu haben, so dass wir recht schnell diesen Hotspot hinter uns lassen konnten.
Wir folgten dem Wanderweg Richtung Osten bis zur Breiten-Kluft-Wand. Dieser ebenfalls schöne Aussichtspunkt war bereits fest in der Hand diverser mit Klappstühlen, Kühlboxen und Bluetooth-Lautsprechern bewaffneter Vatertagsgruppen. Schnell ein Foto Richtung Tal geschossen und die teils oberkörperfreien Saufkumpanen hinter uns gelassen. Wir erreichten den Zurückesteig - ein wenig verdutzt darüber, dass dieser auf unserer heutigen Tour liegen würde. Diesmal also in entgegengesetzter Richtung. Durch die neue Perspektive durchaus nochmal interessant. Leider kam es dort auch zu einer wirklich unangenehmen Begegnung. Vier halbstarke, junge Männer mit zweifelhaften Seitenscheiteln samt Undercut, sowie auch darüber hinaus klischeehaftem, aber eindeutigem Äußeren - spätestens das auf einen der Rucksäcke aufgenähte Hakenkreuz war letztlich die Bestätigung des Offensichtlichen - kreuzten unseren Weg. Sie unterhielten sich lautstark darüber, was „ein aufrechter Deutscher“ wohl alles nicht machen dürfte. Ekelhaft! Wir waren froh, dass diese geistig unterbelichtete Truppe uns nicht auf unserem Weg den Reitsteig entlang folgte.
Gut einen Kilometer später kamen wir an eine Abzweigung zum Großen Winterberg, einem ebenfalls sehr bekannten Ausflugsziel. Diese nahmen wir jedoch nicht, sondern wanderten weiter über den Unteren Fremdenweg zum Kleinen Winterberg. Dort stießen wir gegenüber der Sammlerwand auf ein wunderbar sonniges Plateau, welches wir ganz für uns allein hatten. Zeit für eine Mittagspause, um die Aussicht in Ruhe zu genießen. Zu unserem Erschrecken lag ein großer Teil des Nadelwalds trocken braun und tot vor uns im Tal. Wie wir später erfuhren, wägt man in der Sächsischen Schweiz sehr genau ab zwischen Bekämpfung des Borkenkäfers auf der einen Seite und der Natur freien Lauf zu lassen auf der anderen.
Vom Kuhstall in den Himmel
An der Unteren Winterbergspitze stiegen wir wieder hinab, um im Tal über den Fremdenweg hinüber zum Kuhstall zu wandern. Letzteren hatten wir von oben zwar bereits gesehen, aber nicht bewusst wahrgenommen, doch das sollten wir erst später anhand der Fotos feststellen. Erneut ging es über zahlreiche Stufen unterschiedlichster Beschaffenheit nach oben zum größten Felsentor der Sächsischen Schweiz. Logisch, dass auch an dieser Hauptattraktion einiges los sein würde. Trotzdem war es gefühlt ein wenig ruhiger hier. Der Biergarten des Berggasthauses war aber bis auf den letzten Platz besetzt. Durch das Tor hindurch und dann links erreichten wir die Himmelsleiter, eine schmale, freischwebende Treppe nach oben auf den Neuen Wildenstein, quasi das Dach des Kuhstalls. Auch hier gab es früher eine Burg, von deren Überresten aber nicht mehr viel übrig war.
Bevor wir gegenüber wieder abstiegen, genossen wir noch das Panorama. Unten angekommen konnten wir uns die spaßige, insbesondere bei Kindern beliebte Umrundung der Wildensteinwand nicht entgehen lassen. Das erste Teilstück muss komplett in der Hocke bewältigt werden. Dahinter versuchte sich Bernd aus Neugierde kurz an einem Überhang als Kletterer, allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Da braucht es noch ein paar zusätzliche Trainingssessions in der Boulderhalle. Eine weitere Attraktion, das Schneiderloch, war erstaunlicherweise gar nicht übermäßig frequentiert. Durch eine ebenfalls sehr niedrige Höhle erreichten wir einen mit Eisen versehenen Aufstieg, um ein Stockwerk höher aus dem „Fenster“ sehen zu können. Wir lieben ja solch kleine Abenteuer.
Zurück am Biergarten genehmigten wir uns erst mal eine leckere Bratwurst vom Grill, sowie ein kühles Bier zur Erfrischung, bevor wir uns auf die Kuhstallstraße entlang Richtung Kirnitzschtal machten. Am Lichtenhainer Wasserfall angekommen, hatten wir den Eindruck, hier hätten sich sämtliche Vatertagsgruppen des Tages versammelt. Ein Gefühl von Ballermann und Après Ski ereilte uns. Hastig setzten wir unseren Weg fort und ließen die ohnehin nur künstlich aufgebauschten Touristenattraktion links liegen - naja, genau genommen rechts. Statt der Straße, wie die übrigen Gäste, nahmen wir einen Wanderpfad der uns aufwärts in den Wald führte. Schon von oben konnten wir auf ein verfallenes Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite blicken. Beim schüchtern dahin plätschernden Beuthenfall kamen wir bei einer weiteren einsturzgefährdeten Bude zurück auf die Straße.
Wir überquerten Straße und Fluss und folgten der Kirnitzsch entlang des Flößersteigs. Von dort aus konnten wir immer wieder die prall gefüllte Kirnitzschtalbahn an uns vorbeirattern sehen. Wir genossen lieber die frische Luft, das Plätschern des Wassers und das satte Grün um uns herum, statt uns mit Mundschutz in eine stickige, vollbesetzte Bahn zu quetschen, auch wenn uns die Beine mittlerweile schon an die zurückliegenden Kilometer der letzten Tage erinnerten. Wir wunderten uns allerdings zunächst, warum der Flößersteig am Einstieg als „anspruchsvoll“ deklariert war, führte er doch mal auf Flusshöhe, mal ein wenig höher, immer aber recht gemütlich durch das idyllische Tal. Im späteren Verlauf erwartete uns tatsächlich zu unserer großen Freude noch die eine oder andere spaßige Klettereinlage. Herrlich. Nach knapp fünf Kilometern auf Höhe der Ostrauer Mühle angekommen, nahmen wir den Mühlweg hinauf zu unserem Startpunkt. Wir holten im Bistro der Falkenstein Hütten noch Schwarzbier-Nachschub, bevor wir den Sonnenuntergang im Grünen genossen und nach einer stärkenden Suppe relativ früh ins Bett fielen.
Wilde Hölle am Brückentag
Nach einer der erholsamsten und ruhigsten Nächte der Woche krabbelten wir erneut sehr früh aus der Koje, da der geplante Startpunkt für eine Tour zum Carolafelsen am Brückentag sicher sehr frequentiert sein würde. Also fix unseren Obolus in der Kasse des Vertrauens hinterlassen, zum Vorräte Aufstocken in den üblichen Supermarkt und schnell weiter zum Beuthenfall getuckert. Wir hatten gleich doppelt Glück: Zum einen ergatterten wir einen der letzten Parkplätze - und das gerade mal kurz nach acht Uhr morgens bei eher wolkigem Wetter. Zum anderen war der Parkscheinautomat außer Betrieb. Hurra, kostenlos parken - wir hätten eh nicht genug Münzgeld dabei gehabt… Kurz einen Zettel in der Windschutzscheibe hinterlassen, die Tagesrucksäcke gepackt und es konnte losgehen.
Schon nach wenigen Metern verließen wir den Dietrichsgrund, und folgten einem relativ steil ansteigenden Wurzelpfad abseits der „Touristen-Autobahn“ bis zum Unteren Affensteinweg, wo wir einen Blick auf die Felsformation rund um Bloßstock, Kreuzturm, Nonnengärtner und anderen Steinen werfen konnten. Um die Ecke lag der Einstieg zur Häntzschelstiege, von der wir aber nur die obere Hälfte eingeplant hatten. Wir bogen also ab und folgten dem breiten Weg etwa einen Kilometer Richtung Westen durch ein teils ziemlich totes Waldstück. Dort nahmen wir einen alten Weg hoch zur Höllenwand. Oben angekommen fühlten wir uns plötzlich wie Gulliver, entdeckten wir doch eine Art steinzeitliches Miniatur-Dorf samt Feuerstelle, das vermeintlich das Kind eines Kletterers hier aufgebaut hatte. Wir nahmen den Höllweg bis zur Insel und wurden nach einer leichten Klettereinlage mit einer schönen Aussicht auf den Falkenstein - kein Wunder, waren wir doch ungefähr gegenüber des Domerkers, wo uns bereits zwei Tage zuvor die Augen fast aus dem Kopf sprangen.
Der Gratweg über die Sandlochscheibe erinnerte uns an den Rücken eines Drachen - zwar nicht so riesig, wie der „Drache“ São Jorge, aber dennoch beeindruckend. Kurz darauf stießen wir auf die Obere Affensteinpromenade, die wir gemütlich bis zur Domstiege entlang spazierten. Über diese machten wir einen Abstecher ins Tal zum Großen Dom - wir sind uns nicht sicher, ob es sich dabei um den Namen der Wand hinter uns oder tatsächlich des riesigen Felsbrockens handelte. Weder das eine, noch das andere empfanden wir als sonderlich spektakulär. Auch ein „Sachsenhöhle“ genannter Überhang wurde seinem Namen nicht gerecht. Egal, wir hatten sowohl ab-, als auch aufwärts unseren Spaß auf der historischen Stiege mit ihren Steinstufen und in den Fels gehauenen Tritten. Der kniffligste Teil war eine schräge, glatte Sandsteinplatte mit einer Kette als Hilfe, die es allerdings erstmal zu erreichen galt.
Stau am Carolafelsen
Wieder oben passierten wir eine „Kleines Prebischtor“ genannte Sandstein-Formation - offenbar nicht die einzige dieser Art und dieses Namens. Ein mystischer Ort, dessen Wirkung durch einen uralten Baum mit teilweise oberirdischem Wurzelwerk noch verstärkt wurde. Ganz in der Nähe erhaschten wir einen weiteren Blick Richtung Falkenstein, bevor es auf teils
schon bekannten Schleifen der Oberen Affensteinpromenade zum wohl zentralsten Knotenpunkt unserer Woche ging, dem Zurückesteig. Im Gegensatz zum Vortag bogen wir auf dem dahinter liegenden Reitsteig diesmal nach links Richtung Aussichtspunkt ab.
Es war unterdessen schon fast Mittag und dank des frühen Aufstehens regte sich der erste Hunger. Da wir auf dem Carolafelsen mit einer größeren Menschenmenge rechneten, beschlossen wir in weiser Voraussicht schon vorher eine Pause einzulegen. Ein kleiner Pfad zweigte vom Reitsteig ab und führte uns zu einem abgelegenen, kleinen Plateau keine zweihundert Meter südöstlich der bekannteren Aussicht. Wir tauften es kurzerhand „Kleiner Carolafelsen“ und genossen eine einsame und angenehm ruhige Mittagspause mit traumhaftem Panorama bei mittlerweile sonnigem Wetter. Frisch gestärkt begaben wir uns zum Aufstieg des eigentlichen Carolafelsens und mussten uns erst mal anstellen, um den Gegenverkehr durchzulassen. Nach kurzer Kletterpartie fanden wir den Aussichtspunkt erwartungsgemäß voller Leute vor, die dort oben den Blick Richtung Falkenstein genossen. Wir schossen ein paar Fotos, fühlten uns in unserer vorherigen Entscheidung bestätigt und ergriffen geschwind die Flucht aus dem Stimmengewirr.
Der Reitsteig mündete in einem wunderschön naturbelassenen Weg, der Wilden Hölle. Diese war nicht umsonst als „anspruchsvoll“ markiert, führte sie doch über Stock und Stein, später auch über diverse Eisentritte und -Leitern - positiver Nebeneffekt: Weniger Verkehr. Ach ja: Wir hoffen im Übrigen, der ziemlich wacklig auf den Beinen wirkende ältere Herr in Begleitung seiner vermeintlichen Tochter hat den Abstieg unbeschadet überstanden… Wir hatten dagegen unsere helle Freude und wären am liebsten noch mal in gegensätzlicher Richtung durch die Hölle gegangen. Doch hatten wir bereits das nächste Abenteuer fast unmittelbar vor der Nase.
Adrenalinkick am frühen Nachmittag
Vorbei an so illustren Gesellen wie dem Wilden Kopf oder dem Friseur erreichten wir knapp einen Kilometer später den Einstieg zur Zwillingsstiege, ein anspruchsvoller Klettersteig entlang einer steil abfallenden Felswand. Zwar wurde eine Selbstsicherung empfohlen, doch ein sonst bei Klettersteigen übliches Sicherungsseil gab es ohnehin nicht. Ihr müsstet euch an den einzelnen Eisentritten sichern, was möglich, aber mehr als zeitraubend wäre. Mit entsprechender Trittsicherheit und - zumindest einigermaßen - Schwindelfreiheit war dieses fantastische Abenteuer aber auch ohne zusätzliche Hilfsmittel zu meistern.
Der Einstieg erfolgte über eine kurze senkrechte Passage, ab der es kein Zurück mehr gab. Die Zwillingsstiege darf nur im Aufstieg begangen werden, was insbesondere aufgrund des durchaus beachtlichen Andrangs um so plausibler erschien. Trotzdem mussten wir kurz warten, da uns ein Mann entgegen kam, dem nach dem ersten Stück doch zu sehr die Düse ging. Nachvollziehbar, doch wir bissen uns durch. Ein lohnenswerter Adrenalinkick am frühen Nachmittag. Spätestens als wir oben angekommen waren, hatten wir Blut geleckt und freuten uns auf die zweite Hälfte der Häntzschelstiege. Auf dem weiteren Weg über die Obere Affensteinpromenade blickten wir zurück auf die im Vergleich zur Wand dahinter ameisengleich wirkenden Menschen auf der Zwillingsstiege. Da sind wir wirklich gerade hoch? Irgendwie verrückt!
Am mittleren Zustieg der Häntzschelstiege angekommen erst mal der Schock: Die Schlange war gefühlt so lang wie zur Ferienzeit im Phantasialand vor dem Taron. Von unten drängten die Menschen herauf, während aus unserer Richtung ebenfalls Leute anstanden. Reißverschlussverfahren war angesagt, doch nach oben schien es aktuell noch nicht mal weiterzugehen. Ganz abgesehen von Corona (jaja, wir waren ja nicht im Westen) hatten wir wirklich keine Lust auf Anstehen und das nervig-laute Stimmenwirrwarr. Spontan zogen wir kurzerhand weiter die Affensteinpromenade entlang, auch wenn wir schon gerne auf die oberste Ebene gewechselt hätten. Gemütlich und mit deutlich weniger Menschen ging es so flott voran bis zum Satanskopf, hinter dem ein spaßiger Felsdurchstieg auf uns wartete. Nach dem bisherigen Training absolut problemfrei zu meistern.
Wenig später erreichten wir den Frienstein mit dem nächsten Highlight, der Idagrotte. Diese imposante Kluft- und Schichtfugenhöhle an der Ostseite ist über ein schmales Felsband erreichbar, an dessen Bergseite einige Handläufe das Leben erleichtern. Zum Glück lag die Stelle aber bei weitem nicht so ausgesetzt wie an der Brechstange. Bei herrlichem Ausblick in den Felskessel genehmigten wir uns eine kleine Pause und hatten, obwohl auch hier nicht gerade wenig los war, den Trubel an der Häntzschelstiege längst vergessen. Als wir wieder aufbrauchen, trafen wir lustigerweise eine kleine Gruppe wieder, die uns bei der Warteschlange am Klettersteig netterweise den Weg vorbei gezeigt hatten. Nach deren Aussage hatte sich der Stau doch relativ flott aufgelöst und sie fanden die Häntzschelstiege wirklich richtig gut. Wir überlegten ernsthaft, wie wir dieses Abenteuer doch noch in die Tour einbauen könnten.
Stiege oder nicht Stiege, das ist hier die Frage
Trotzdem zogen wir zunächst unbeirrt den mittlerweile sehr urigen Weg über Wurzeln und Steine entlang weiter. Wiederholt bot sich uns dabei ein schöner Blick zurück auf die Idagrotte und auch hinüber zum Kuhstall - diesmal erkannten wir das Loch im Fels sofort. An der unteren Winterbergspitze nahmen wir den uns bereits bekannten Abstieg, bogen am Fuß angekommen diesmal allerdings links ab auf den Königsweg, den wir etwa drei Kilometer zurück gen Westen marschierten. Dort begegneten wir zum dritten Mal der Gruppe aus dem Stau. Da wir zudem gut in der Zeit lagen und unsere Füße ebenfalls mitspielten, fassten wir den Entschluss, statt über Vorderen Heideweg und Dietrichsgrund unmittelbar zum Auto zurückzukehren, weiter bis zum Bloßstock zu wandern, um von dort die Häntzschelstiege hoch und anschließend zum zweiten Mal durch die Wilde Hölle wieder abzusteigen. Ein Zusatz von etwa drei Kilometern - in unseren Augen durchaus machbar, wenn denn das Wetter hielt. Für den Abend war nämlich bereits der erste Regen angesagt. Doch bislang sah der Himmel vielversprechend aus.
Am Wegweiser angekommen, waren wir frohen Mutes und nahmen die Holzleitern nach oben zum Einstieg. Außer uns war nur ein weiteres Pärchen anwesend, das gerade dabei war, in die Klettersteigsets zu schlüpfen. Der Blick nach oben flößte uns dann doch einigen Respekt ein, doch wir wollten es versuchen. Der Anfang muss frei erklettert werden, bevor man die ersten Eisengriffe, und darüber einen kleinen Absatz erreicht. Über weitere Eisentritte geht es dann zuerst nach oben und waagrecht über eine sehr exponierte Stelle zurück. Es gab nur zwei Tritte und das Sicherungsseil war relativ locker gespannt, darunter ging es senkrecht schätzungsweise acht bis zehn Meter nach unten. Trotz zweier Versuche an diesem Abend zu viel für Bernd. Wir ließen das Pärchen passieren und kämpften uns den Zustieg wieder hinab. Geknickt erreichten wir den Wegweiser, wo uns ein leichter Regenschauer ereilte. Wir waren in dem Moment doch froh, nicht im Regen die jetzt sicherlich rutschigen Eisentritte gehen zu müssen und machten uns auf den Rückweg zum Auto.
Zurück an der Elbe wärmten wir uns mit einer Gulaschsuppe und überlegten, was wir mit den letzten beiden Tag anstellen sollten. Für die Sächsische Schweiz war richtig fieser Regen gemeldet. Dagegen sollte es im Westen nachmittags aufreißen und schön werden. Keine leichte Entscheidung, hatten wir doch eigentlich noch eine lange und eine etwas kürzere Tour im Elbsandsteingebirge geplant. Nachdem wir eine Nacht drüber geschlafen hatten und schon bei heftigem Niederschlag aufwachten, war die Entscheidung klar. Wozu hatten wir eine flexible Unterkunft auf Rädern? Auf Wiedersehen, Sächsische Schweiz. Hallo, Wochenende am Rheinsteig in der Nähe der Loreley. Frei nach Michael Ende: Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden…
Unsere Meinung zur Reise
Knapp 130 Kilometer, etwa 4500 Höhenmeter und zigtausende Stufen haben wir in den sechs Tagen in der Sächsischen Schweiz bewältigt. Unzählige abenteuerliche Momente auf den Stiegen und spektakuläre Aussichten bescherten uns traumhafte Erinnerungen. Grandios, was das Elbsandsteingebirge alles bereit hält. Dabei haben wir längst nicht alles geschafft, was wir gerne gesehen hätten. Zudem hatten wir den böhmischen Teil coronabedingt von vornherein aus der Planung ausgeschlossen. Trotz so manch seltsamer Begegnung schreit das nach einer Fortsetzung.
Über den Camper und seine wohl durchdachte Ausstattung haben wir eingangs bereits alles gesagt. Leichter hätte der Einstieg für uns Neulinge nicht sein können. Vielen Dank auch noch mal an Jörg, den Chef von Cologne Camper, für die unkomplizierte Vermietung und die geduldige Einweisung. Wann immer das Gespräch auf das Thema kommt, werden wir nicht müde werden, dich und deinen Laden weiterzuempfehlen.
Abschließend wollen wir noch festhalten: Im Nachhinein betrachtet sind wir nicht mehr sicher, ob wir jeden eingeschlagenen Weg hätten gehen dürfen. Zwar hatten wir uns vorher angelesen, dass außerhalb der Kernzone alle erkennbaren, innerhalb dagegen ausschließlich die markierten Pfade erlaubt waren, doch einerseits war es schwer zu beurteilen, wie wohl „erkennbarer“ definiert war, andererseits war nicht immer klar ersichtlich, was zur Kernzone gehörte und was nicht. Dennoch haben wir uns so rücksichtsvoll wie irgendwie möglich verhalten. Selbstverständlichkeiten, wie das restlose Mitnehmen unseres Mülls, sowie keinerlei mutwillige Zerstörung, aber auch uns ruhig und bedacht in der Natur zu bewegen und zu verhalten, war und ist uns enorm wichtig.
Reisedetails
Reisetitel
Abenteuer Sächsische Schweiz
Gebucht bei
Dauer
Auf eigene Faust
6 Tage
Reisetermin
16. Mai bis 22. Mai 2020
Nebenkosten
pro Person
Verpflegung/Souvenirs, Sprit, etc.:
100€ (Sparsam) - 200€ (Genießer)
Fortbewegung
Camper zwischen den Startpunkten, sonst ausschließlich zu Fuß
Zahlungsmittel
Euro (Bargeld)
Mobilfunk
Mobilfunk-Empfang von "quasi nicht vorhanden" (O2) bis "geht so" (Vodafone). Es empfiehlt sich, die Wanderungen offline parat zu haben und auf Flugmodus zu schalten, um Akku zu sparen.
Einreise
-
Besonderheiten
Viele Stufen und Treppen, die durch die Abwechslung dennoch nie langweilig wurden.
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