Mitte Januar fuhren wir sechs Tage lang mit Schlittenhunden nördlich des Polarkreises von Hütte zu Hütte. In der Wildnis rund ums schwedische Kiruna erlebten wir ohne Strom und fließend Wasser ein echtes Abenteuer. Der Kampf gegen Schnee und eisige Kälte bescherte uns unvergessliche Eindrücke. Die Krönung? Das atemberaubende Schauspiel des Polarlichts.
Schon beim Anflug auf Kiruna bot sich uns ein beeindruckendes Farbenspiel beim Blick aus dem Fenster: Der noch volle Mond stand hoch am Himmel, welcher nach und nach im Licht der untergehenden Sonne seine Farbe von strahlend blau über zartrosa bis dunkel-violett veränderte. Bei der Landung nachmittags um 16:00 Uhr war es bereits stockfinster - dabei waren die hiesigen Tage mit gut vier Stunden Tageslicht längst wieder deutlich länger geworden. Während unserer Tour sollten nochmals etwa neun Minuten pro Tag hinzukommen.
Große Überraschung dann am Flughafen und anschließend auf der Huskyfarm von Jukkasjärvi Vildsmarks Turer: Sowohl Fahrer Sven, als auch Camp-Host Melanie waren aus Deutschland. Auch unser Guide Philipp - ursprünglich aus Berlin - sprach deutsch, lebt eigentlich seit Jahren auf Spitzbergen, aber aktuell in Schweden.
Nach kurzem Kennenlernen der Gruppe - insgesamt sechs Teilnehmer, also ausgebucht - wurden wir auf zwei mit Elektroheizern ausgestatteten Hütten mit je zwei Stockbetten aufgeteilt, wo wir auch unser gestelltes Equipment bekamen: einen Schlafsack (bis -20 Grad geeignet) samt Liner, einen Kissenbezug und ein Handtuch - kommt alles in einen großen, wasserfesten Packsack. Dazu eine robuste Tasche für unsere Kleidung, Hygiene-Artikel und sonstigen Habseligkeiten. Unnötiger Ballast blieb sicher verwahrt im Hauptcamp zurück.
Letzte Strom-Tankstelle vor der Wildnis
Das Basislager war die letzte Möglichkeit, noch mal Strom zu „tanken“. Es empfiehlt sich eine potente Powerbank mitzuführen. Smartphones solltet ihr wegen der Kälte generell nahe am Körper tragen und nur kurz für ein oder zwei schnelle Fotos aus der Tasche holen. Wer auf Internet verzichten kann (prinzipiell war die Netzabdeckung ausgezeichnet), spart mit dem Flugzeugmodus zudem massiv Strom. Wir waren jedenfalls ganz gerne mal eine Woche offline.
Vor dem gemeinsamen Abendessen - es gab leckeren Rentier-Eintopf - ging es noch schnell zur Anprobe in einen gut beheizten Container: Schneemobil-Overall und -Stiefel, Fahrhandschuhe (große lederne Fäustlinge mit Felleinsatz, unter die noch ein paar dünne Handschuhe passen müssen), eine Fellmütze und bei Bedarf auch eine Sturmhaube (wir hatten unsere eigenen dabei) galt es in den richtigen Größen zu finden. Das Angebot war reichlich und so hatten wir schnell alles beisammen. Während die einen im Duschcontainer noch eine letzte Dusche unter fließendem, warmen Wasser nahmen, optimierten wir unser Gepäck für die Woche und legten uns anschließend schlafen. Die Nachtruhe wurde immer mal wieder durchs Heulen der Hunde unterbrochen- auf der Farm leben etwa 150 sibirische Huskys. Irgendwie gespenstisch!
Einweisung und Team-Zuteilung
Am nächsten Morgen war nicht ganz auszumachen, wer aufgeregter war: Wir, die uns zugewiesenen Hunde oder doch die Tiere, die im Camp zurückbleiben mussten. Zunächst bekamen wir aber erstmal eine Einweisung in den Umgang mit dem Schlitten. Wichtigste Regel: Niemals das Gefährt loslassen. Die Huskys verspüren einen derart starken Laufdrang, dass sie selbst bei Stunteinlagen, wie einem ungewollten Abgang, einfach mitsamt dem Schlitten durchbrennen würden.
Aufbau und Fahrtechnik
Der Schlitten verfügt über zwei unterschiedliche Bremsen. Ein an einer Feder befestigter Metall-Bügel dient mit seinen zwei kräftigen Metall-Zähnen insbesondere dazu, den Schlitten zu einem kompletten Halt zu bringen. Vor dem Start und bei Pausen solltet ihr fest und bestimmt auf dieser Bremse stehen. Wohl dosiert lässt sich damit aber auch während der Fahrt das Tempo bestimmen. Wer allerdings zu fest auf die Bremse tritt, erntet schon mal einen vorwurfsvollen Blick seiner Leithunde.
Bequemer vom Stand her und sanfter in der Wirkung ist Bremse Nummer zwei. Eine Platte aus Kunststoff mit zwei Querstreben auf der Unterseite, die nach Belieben hoch und runter geklappt werden kann. Je nach Belastung bremst ihr damit mehr oder weniger stark, eine Vollbremsung ist so aber nicht zu bewerkstelligen. Theoretisch könnt ihr diese Bremse dauerhaft über den Boden schleifen lassen. Allerdings stört sie tendenziell beim Bergauf-Fahren, wo ihr je nach Steigung mit einem Bein anschiebt - ähnlich wie auf einem Tretroller - oder sogar im Dauerlauf zwischen den beiden Kufen mitlauft, um eure Hunde zu entlasten. Zwei weitere wichtige Elemente sind der Schnee-Anker und die Sicherungsleine. Ersterer wird bei längeren Pausen und vor dem Start möglichst fest in den Boden gerammt. Zusätzlich wird die Sicherungsleine, wenn möglich, um einen Baum oder Pfosten geschlungen. Besteht dazu keine Möglichkeit legt ihr alternativ einfach den Schlitten auf die Seite über die Ankerleine.
Die Verwendung der Bremsen, ein aufrechter, in den Knien leicht lockerer Stand, in den Kurven das Gewicht leicht nach innen verlagern - mehr braucht ihr eigentlich nicht zu wissen. Gefahren wird in Kolonne, die Huskys folgen dabei dem Leitteam. Sollten sie doch mal an einer Abzweigung ihren eigenen Kopf durchsetzen und falsch abbiegen wollen: Anhalten und euch durch lautes Rufen bemerkbar machen. Entweder scheren die Hunde von selbst wieder ein oder der Guide oder ein anderer Teilnehmer - der selbstverständlich vorher sein Gefährt per Anker gesichert hat - kommt euch zu Hilfe.
Erste Tuchfühlung mit unseren Teams
Anschließend bekamen wir unsere Teams zugewiesen. Am heutigen ersten Tag wurden die Hunde noch von Mitarbeitern der Huskyfarm mit Geschirren versehen und am Schlitten eingespannt. In den nächsten Tagen würde das aber, neben einigen weiteren Dingen (doch dazu später mehr) ebenfalls zu unseren Aufgaben zählen. Wichtig dabei ist, immer zuerst die beiden Leithunde einzuspannen, da diese - so die Theorie - die Zentralleine gespannt halten. In der Praxis hatten unsere Leithunde trotzdem häufig Flausen im Kopf und blieben alles andere als brav an ihrem Platz…
Team Marion
Von links nach rechts: Herbert, Hermann (mutmaßlich verwandt mit den beiden Oppossums aus Ice Age), Laser und Mick
Jeder Vierbeiner war an zwei Stellen eingehängt: Das Geschirr wurde an einer Schlaufe am hinteren Rücken mit einer Zugleine verbunden. Die Folgehunde waren per Halsleine zusätzlich an der Zentralleine befestigt, während die Leithunde mittels einer kurzen Halsleine direkt zusammengehängt wurden.
Vor dem Start, sowie bei jedem noch so kurzen Zwischenstopp, herrschte große Aufregung unter den Huskys. Mit lautem Gebell stachelten sich die Tiere gegenseitig an und konnten es kaum erwarten, wieder zu laufen. Im Eifer des Gefechts kam es da als Übersprungshandlung schon mal zu gegenseitigem aggressiven Verhalten. Letzteres wirkte anfangs doch etwas befremdlich auf uns, war aber in der Regel harmlos.
Kaum waren wir unterwegs, herrschte sogleich absolute Ruhe. Knarrend wie ein altes Segelschiff gleitete der Schlitten ruhig über den Schnee. Viel mehr war unterwegs sonst nicht zu hören. Mal sahen wir ein paar Schneehühner davon fliegen, mal in der Ferne ein paar Rentiere. Ansonsten aber schlief die Natur unter der eisigen Winterdecke und es war fast schon unwirklich still.
Team Bernd
Von links nach rechts: Johnson, Buck, Nero (der 11-jährige Opa im Team) und der verrückte, aber liebenswerte Hilding
Während der Fahrt stillten die Hunde ihren Durst übrigens, indem sie immer mal wieder etwas Schnee aufnahmen. Bei kurzen Pausen kühlten sie sich teils spielerisch mit einem ausgiebigen Schneebad ab. Ab und an kamen wir an Stellen vorbei, wo der Boden etwas nasser war, weil es irgendwo von unten Wasser hochdrückte. Hier mussten wir anschließend immer mal kurz halten, um die Pfoten der Vierbeiner von Eiskügelchen zu befreien, die ansonsten schmerzhaft auf die Ballen drücken würden. Achja, wer es ganz genau wissen möchte: In der Regel konnten die Hunde ihre Notdurft tatsächlich während der Fahrt verrichten. Sah etwas komisch aus, war aber für die Tiere offensichtlich kein großes Problem.
Eiszapfen im Bart bei -30 Grad
Seit der Tour haben wir unsere Definition von „klirrender Kälte“ eindeutig angepasst. Am kältesten Tag der Woche wurden -29 Grad gemeldet. Auf den weiten (selbstverständlich zugefrorenen) Seen und Flüssen sind es - zumindest gefühlt - noch mal ein paar Grad weniger, da fast immer ein leichter Wind wehte. Selbst mit unseren zahlreichen Kleidungsschichten wurde es im Overall oft knackig kalt. Eiszapfen im Bart und angefrorene Wimpern durch die Atemluft zählten noch zu den angenehmen, weil lustigen Seiten. Nahezu erfrorene Zehen und Finger machten dagegen schon deutlich weniger Spaß.
Tipp für Brillenträger: Immer nach unten ausatmen. Die am Körper anliegenden Brillenelemente sollten zudem möglichst aus Kunststoff sein, da Metall doch sehr kalt wird. Wer Kontaktlinsen verträgt, sollte besser darauf umsteigen, auch weil sie nicht ständig anlaufen beim Wechsel zwischen drinnen und draußen. Und nach dem Zähneputzen Finger weg von metallenen Türklinken, wenn ihr euch gerade die Hand abgespült haben solltet…
letzteR Schrei: Der Michelin-Männchen-Style
Unten rum:
Zwei bis drei Paar warme Socken (Merino-Wolle bewährte sich unserer Erfahrung nach am besten), eine Thermo-Unterhose, darüber Leggings oder eine Fitness-Hose und eine winddichte,
gefütterte Trekkinghose (Alternativ: eine Skihose)
Oben rum:
Thermo-Shirt plus dünnes Longsleeve, darüber ein warmes Merino- oder Fleece-Oberteil und eine gefütterte Jacke, ein Paar dünne Handschuhe (nach Bedarf ein zweites Paar darunter), Sturmmaske und Schlauchschal
Außen rum:
Schneemobil-Stiefel und -Overall, Fellmütze, große lederne Fäustlinge mit gefüttertem Innenhandschuh. Diese Teile der Ausrüstung wurden von der Huskyfarm zur Verfügung gestellt.
Insbesondere auf den langen ebenen Strecken, die sich anfühlten, als ob wir in einem endlosen Schlepplift stehen würden, gingen wir dazu über, uns mit einer improvisierten Mischung aus Gymnastik- und Tanz-Übungen auf den Kufen unserer Schlitten irgendwie warm zu halten. Angenehmer waren da schon die Abschnitte im Wald oder durch gefrorene Moore. Zum einen war es dort windgeschützt, zum anderen mussten wir ständig kleinere Unebenheiten und ausgewachsene Buckel ausgleichen. Zudem führten diese kleinen Trails auch immer wieder mal bergauf und bergab, was einerseits ebenfalls Wärme durch Bewegung (Anschieben, teilweise Mitlaufen), andererseits Ablenkung von der Kälte durch besonders intensive Konzentration auf die Abfahrt bedeutete. Ganz selten fuhren wir auch mal ein Stück zugeschneite Straße entlang.
Besonders schnell seid ihr bei einer solchen Tour - abgesehen von der einen oder anderen leicht rasanteren Abfahrt - übrigens nicht unterwegs. Je nach Wetterverhältnissen und vor allem Temperatur maßen die Etappen etwa 30 bis 40 Kilometern pro Tag. Kein Wunder also, dass die Huskys eher Marathon als Sprint laufen... Nun ja, laufen sollen. Wir mussten jedenfalls häufiger bremsen, als erwartet. Unsere längste Tour erstreckte sich über 52 Kilometer, samt Fahrt mit Stirnlampe in absoluter Dunkelheit - wohlgemerkt nachmittags ab 16:00 Uhr. Zum Glück war es an besagtem Tag mit lediglich -17 Grad auch mollig warm. Ernsthaft: Eine Temperatur, die man so warm bekleidet ganz gut aushalten konnte.
Jenseits der Mauer
Wettertechnisch war so ziemlich alles geboten, was man im Winter erwarten kann. Trübe, graue Tage mit teils leichtem Schneefall, an denen es gar nicht richtig hell werden wollte, wechselten sich mit leicht bewölkten und auch mal herrlich sonnigen Stunden ab. Lediglich ein Schneesturm blieb uns dankenswerterweise erspart. Die in der Packliste empfohlene Ski- oder Sonnenbrille war bei uns jedenfalls nicht nötig, sondern wird wohl eher bei Touren später im Jahr benötigt, wo die Sonne wieder höher steht und länger scheint.
Die unterschiedlichen Lichtstimmungen sind schwer zu beschreiben. Selbst an klaren Tagen schaffte es die Sonne selten länger als eine Stunde über den hügeligen Horizont. Dann verlieh sie den weiten Ebenen durch lange Schatten zwischen den Schneeverwehungen eine ganz besondere Tiefe. Bei leichter Bewölkung färbte sich der Himmel dagegen sanft rosa. Zumeist wurde die verträumte Schnee-Landschaft aber in blau-graue Töne getaucht. Ein wenig kamen wir uns vor wie jenseits der Mauer von Game of Thrones, fehlten nur ein paar weiße Wanderer...
Auf unseren gut 200 Kilometern sind wir selbstverständlich nicht von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gefahren, von denen wir euch jetzt berichten könnten. Daher möchten wir euch statt einer chronologischen Abhandlung der Woche lieber exemplarisch einen üblichen Tagesablauf vorstellen. Zum besseren Verständnis solltet ihr wissen, dass wir insgesamt drei Hütten aufsuchten.
Zwei Nächte verbrachten wir in einer Hütte mit vier kleineren Räumen auf Kurravaara, zwei weitere im Camp Väkkärä, wo wir von Host Meike liebevoll verpflegt wurden und jedes Reisepaar seine eigene kleine Unterkunft bezog. Dort verbrachten unter anderem auch einige Schlittenhunde-Rentner ihren Lebensabend. Der letzte Halt war in einer winzigen Hütte nahe dem Örtchen Paksuniemi, in der es überraschenderweise zwar Strom gab, dafür aber nur einen großen Raum für alles: Stockbetten, Esstisch, Kochecke. Unsere Verpflegung für die Zeit in den Hütten ohne Host hatten wir auf den Schlitten dabei.
Ein üblicher Tag auf der Tour
07:30 Uhr - Fleischsuppe zum Frühstück
Früh morgens stand als erste Aufgabe grundsätzlich die Fütterung der Huskys an. Jeder Vierbeiner bekam einen Napf voll Fleischsuppe, die wir am Vorabend vorbereitet hatten. Das Hundefutter - eine Mischung aus Rind- und Hühnerfleisch - wird sprichwörtlich tonnenweise zur Farm geliefert, und zwar tiefgefroren als etwa DIN A3 große, zehn Zentimeter starke Platten. Diese werden per Schneemobil zu den einzelnen Unterkünften gebracht und lagern dort praktischerweise tiefgekühlt einfach draußen vor der Hütte. Per Axt klein gehackt, in zwei Kühlboxen gepackt und anschließend mit kochendem Wasser aufgefüllt, stand so am nächsten Morgen die Suppe fürs Hundefrühstück bereit.
Da wir nur acht Schüsseln zur Verfügung hatten, wurde in Etappen gefüttert. Spannend war dabei insbesondere die unterschiedliche Geräuschkulisse: Während beim Verteilen der Näpfe jeder Hund möglichst laut bellte, um auf sich aufmerksam zu machen, vernahmen wir in den „Fress-Minuten“ jämmerliches Geheul der noch nicht bedienten Vierbeiner, als würden wir sie vergessen und verhungern lassen.
Bei der Fütterung nicht beteiligte Gruppenmitglieder schürten in der Zwischenzeit den Ofen im Hauptraum an, kochten einen großen Topf Wasser auf dem Gaskocher und bereiteten das Frühstück vor. Das Wasser war einerseits für den Frühstücks-Kaffee gedacht, andererseits zum Befüllen der Thermoskannen für die Wasserversorgung tagsüber. Nach der Fütterung waren wir mit einem gemütlichen Frühstück an der Reihe. Es gab Brot, Käse, Schinken, Wurst, Marmelade und sogar Nutella.
09:30 Uhr - Fertigmachen zur Abfahrt
Wechselten wir zur nächsten Hütte, stand nachfolgend Putzen und Ordnung machen auf dem Programm. Die Unterkünfte waren besenrein zu verlassen, sämtliche Wasserbehälter mussten geleert werden, weil sie sonst einfrieren würden, und Feuerholz (auch das lag an den Hütten bereit) bei den Öfen war aufzufüllen. Zudem galt es, die gefrorenen Hundehäufchen einzusammeln und zum „Poo Graveyard“, also zu einer dedizierten Sammelstelle etwas abseits der Hütten zu bringen. Der gelbe Schnee blieb stattdessen an Ort und Stelle…
Anschließend beluden wir die Schlitten, reihten sie mit ausreichend Abstand hintereinander auf und fixierten sie mit Anker und Sicherungsleine. Wir legten unseren Teammitgliedern die Geschirre an - was mal mehr, mal weniger motiviert von den Vierbeinern unterstützt wurde - und spannten sie vor die Schlitten. Nun konnte die Fahrt beginnen. Startzeitpunkt war in der Regel etwa gegen 10:00/10:30 Uhr.
Wir fuhren immer bis ungefähr 13:00/13:30 Uhr, je nachdem, wann wir an einem geeigneten Rastplatz für die Mittagspause vorbeikamen. Meist hielten wir dann auf einer Lichtung am Rande des Trails, da wir die Schlitten hier besser an kleinen Bäumen befestigen konnten. Dank mitgebrachtem Holz war schnell ein kleines Lagerfeuer entzündet, über dem wir einen Topf Tütensuppe kochten. Sicher kein kulinarisches Highlight, aber perfekt zum Aufwärmen und um Flüssigkeit zu tanken. Außerdem konnten wir - falls nötig - die mitgebrachten Pausenbrote am Feuer auftauen. Mit heißem Wasser aus den Thermoskannen wurde Instant-Kaffee, Tee oder heißer Kakao zubereitet. Außerdem hatte Philipp immer eine große Tafel Schokolade (vorsichtig lutschen, da steinhart gefroren) mit am Start. Frisch gestärkt und aufgewärmt ging es nach etwa einer halben Stunde weiter.
16:00 Uhr - Ankunft an der Hütte
In der Regel trafen wir zwischen 15:30 und 16:00 Uhr, also kurz vor Einbruch der Dunkelheit, bei der Unterkunft ein. Lediglich an einem Tag waren wir bis 17:00 Uhr unterwegs. Zuerst leinten wir dann die Hunde an, befreiten sie von ihren Geschirren und parkten unsere Schlitten. Teils gab es Hundehütten, teils wurden die Tiere an einer Stahlleine im Freien festgemacht. Ein wenig Mitleid hatten wir schon, als sie eingerollt in den durch Körperwärme gebildeten Kuhlen im Schnee versanken, doch versicherte uns Philipp, dass Huskys Temperaturen bis -40 Grad problemlos aushalten können.
Danach war erneut Arbeitsteilung angesagt: Fleischplatten zerhacken und zwar insgesamt drei Rationen. Von der ersten bekam jedes Tier sofort einen Klumpen als Snack. Mit den anderen beiden wurde zunächst die Suppe für den Abend und später die fürs Frühstück zubereitet. Währenddessen schürte jemand die Öfen in der Hütte und in der Sauna an. Es galt außerdem, mehrere Kanister Wasser zu holen (Aufguss- und Waschwasser für die Sauna, Abendessen für die Hunde, Trinkwasser, Spülwasser).
Während in der Nähe der ersten Hütte ein kleiner Zufluss zum See (zwecks schneller Strömung nicht zugefroren) leicht angezapft werden konnte, mussten wir ein andermal erst mühsam ein Eisloch aufschlagen. Die schweren 25-Liter-Kanister anschließend zur Hütte zu bringen, war auch ein anstrengender Kraftakt.
17:30 Uhr - Aufwärmen bei Tee und Keksen
Normalerweise saßen wir dann erst mal einige Zeit in der Küche zusammen, um uns bei Tee und Keksen oder anderen Leckereien, wie beispielsweise Chokladbollar etwas aufzuwärmen. Erstaunlich, wie viel man essen kann ohne zuzunehmen, wenn der Körper den ganzen Tag der Kälte trotzen muss. Später übernahm ein Teil der Gruppe die abendliche Hundefütterung, während der andere Teil das Abendessen vorbereitete. Auf dem Speiseplan standen unter anderem Köttbullar, Tiefkühl-Gemüse, Reis, Nudeln, angebratene Fleischwurst, Rentier-Eintopf mit Rosenkohl. Auch für Nachtisch war noch Platz. Hier gab es beispielsweise Milchreis, Käsekuchen mit Erdbeeren und typischen schwedischen Schokokuchen (Kladdkaka) mit Vanilleeis.
Den Rest des Abends verbrachten wir entweder mit Sauna-Gängen, erzählten uns gegenseitig Reise- und andere Geschichten oder fragten Philipp über sein Leben mit den Huskys aus - wohlgemerkt alles bei gemütlichem Kerzenschein. Eine Stirnlampe samt Ersatzbatterien ist übrigens ein absolutes Muss. Ganz besonders für den weniger romantischen Gang zur außen liegenden, selbstverständlich unbeheizten Toilette. Keine Angst, dank Toilettensitz aus Styropor ist dieser Teil erträglicher, als ihr euch das jetzt vielleicht vorstellt. Auch die Geruchsbelästigung hält sich in Grenzen, da ja alles, was in den Auffangbehälter fällt, bei den deutlich zweistelligen Minusgraden rasch tiefgekühlt wird. Gemütlich ist trotzdem anders.
Im Übrigen ist es ratsam, sich nur abends zu waschen. In der Sauna mischt ihr euch dazu mit gekochtem und kaltem Wasser eine Schüssel mit der gewünschten Temperatur. Alternativ haben sich unserer Meinung nach kosmetische Reinigungstücher sehr bewährt. Insbesondere die natürliche Fettschicht im Gesicht am Morgen solltet ihr zwecks Kälteschutz unbedingt lassen. Tagsüber tabu sind zudem Feuchtigkeitscremes: Akute Erfrierungsgefahr!
Magische Momente: Tanz der Polarlichter
Für einen lauschigen Abendspaziergang war es - welch Überraschung - doch irgendwie zu kalt. An einem Abend trieb es uns allerdings trotzdem geschlossen aus der Hütte und runter auf den Fluss. Der Grund? Polarlichter. In Farbtönen von grün bis violett pulsierten sie spektakulär und in unterschiedlichsten Mustern am Himmel. Traumhaft schön. Mal wie eine riesige Raupe, mal wie eine Brücke, über die geisterhaft Personen zu wandeln schienen. Kein Wunder, dass diesem Schauspiel eine gewisse Mystik innewohnt.
Die Aktivitätsvorhersage, die wir vorher auf der Webseite der University of Alaska gefunden hatten, stimmte auf den Tag genau. Wir waren überglücklich, dass uns exakt an diesem Abend ein sternenklarer Himmel vergönnt war. In der Wildnis hatten wir natürlich zudem nicht das Problem störender Lichtquellen wie andere Häuser oder Straßenlaternen.
Den ursprüngliche Plan, mit NightCap und einem Gorilla Pod ein paar Langzeitbelichtungs-Versuche zu starten, haben wir schnell verworfen. Zum einen war es uns definitiv zu kalt, zum anderen war der Augenblick viel zu beeindruckend. Wir zogen es vor, nur ein paar kurze Schnappschüsse zu machen und ansonsten den zauberhaften Anblick zu genießen, anstatt uns lange mit dem Equipment rumzuschlagen. Wie sich herausstellte genau die richtige Entscheidung, denn bereits nach etwa einer Viertelstunde war der Zauber schon wieder vorüber. Kälte hin oder her, wir hätten noch stundenlang nach oben blicken und dem Lichtspiel zusehen können.
Unsere Meinung zur Reise
Ein Abenteuer, welches wir bestimmt unser Leben lang nicht vergessen werden. Der Umgang mit „unseren“ Hunden, das Gefühl, von Tag zu Tag mehr mit ihnen zusammenzuwachsen, und die Tatsache, der Eiseskälte erfolgreich getrotzt zu haben, sind unbeschreiblich intensive Erfahrungen und Erinnerungen.
Die unterschiedlichen, mystischen Lichtstimmungen, diese unglaubliche Stille und das Unterwegs-Sein in der schlafenden Natur waren einfach nur traumhaft schön. Die langen Abschnitte auf den Seen und Flüssen hatten etwas zutiefst Meditatives. Ideal zum Abschalten. Faszinierend war der Tanz der Polarlichter. Dieses Schauspiel müssen wir unbedingt noch einmal erleben.
Trotz aller Euphorie lautet unser Fazit dennoch: Sechs Tage waren für unseren Geschmack etwas zu lang. Warum? Das Gefühl, nach drei Tagen alles gesehen und erlebt zu haben. Die Abwechslung - insbesondere auch landschaftlich - hält sich auf so einer Tour naturgemäß in Grenzen. Ein zugeschneiter Fluss mit schneebedeckten Bäumen am Ufer gleicht einem weiteren meist wie ein Ei dem anderen. Eine dreitägige Tour hätte uns daher vermutlich gereicht. Lieber noch kombiniert mit einer anschließenden Schneeschuh-Wanderung oder einer rasanten Schneemobil-Fahrt. Zu kurz hingegen wäre dagegen eine Overnight- oder gar nur eine Tagestour. Das ist dann doch eher etwas für die „Schicki-Mickis“, die im Eishotel von Jukkasjärvi absteigen und sich auch gerne mal vom Schneemobil im Wohnwagen-Anhänger kutschieren lassen.
Vermutlich spielt in diese Einschätzung auch ein Stück weit mit rein, dass die Chemie zwischen uns und Guide Philipp nicht so ganz stimmen mochte. Seinen Umgang mit den Farm-Huskys fanden wir teilweise befremdlich. Unser Gefühl war, dass er seine Malamutes für etwas besseres hielt. Davon abgesehen gab er uns immer mal wieder keine klaren Anweisungen, war anschließend aber merklich angefressen, wenn etwas nicht sofort nach seinem Kopf ging. Entschuldigung, aber wir waren eben eine Anfängergruppe, keine Profis. Über Hunde und darüber, wie man in der Natur bei solchen Temperaturen überlebt, weiß er definitiv jede Menge. Den Umgang mit Menschen aus der Stadt muss er dagegen wohl noch üben. Unsere Empfehlung an ihn lautet daher: Lieber nur noch Survival-Abenteuer für Profis anbieten, keine Anfänger-Touren mehr.
Das soll jetzt aber keinesfalls so klingen, als ob wir den Interessierten unter euch von einem Husky-Abenteuer abraten möchten. Ganz im Gegenteil: Die erlebten Erfahrungen möchten wir keinesfalls missen. Und ehrlich gesagt: Obwohl wir beide nicht gerade als Hunde-Liebhaber durchgehen, vermissen wir unsere acht Knalltüten doch irgendwie und hoffen, dass ihnen noch viele schöne Touren vergönnt sind.
Reisedetails
Reisetitel
Gebucht bei
Reiseleiter
Dauer
Reisetermin
Schwierigkeitsgrad
Nebenkosten
pro Person
Zahlungsmittel
Mobilfunk
Einreise
Besonderheiten
Philipp Bergau
8 Tage inkl. An- und Abreise
21. Januar bis 28. Januar 2019
Die Angabe „2,5 von 5“ halten wir für angemessen. Gute Grundkondition erleichtert die Touren (vor allem das lange Stehen). Bereitschaft zum Komfortverzicht und eine gewisse Kälte-Toleranz sind notwendig.
Abgesehen von individueller Verpflegung bei An- und Abreise keine zusätzlichen Kosten
Vorherrschend Kreditkarte; Geldwechsel (Schwedische Kronen) oder Abhebung am Flughafen mit girocard/Kreditkarte aber ebenso problemlos möglich
EU-Daten Roaming; Mobilfunk-Empfang ortsabhängig, aber in der Regel sehr gut
Einreise mit Personalausweis; keine Impfungen nötig
Mehrbett-Hütten ohne Strom und fließendem Wasser; Kälte solltet ihr abkönnen; Verpflegung eher einfach; Teamwork ist obligatorisch; Selbstverständlich: keine Angst vor Hunden
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Janusz Dr Targonski (Montag, 03 Januar 2022 18:46)
Super sehr verständlich bildlich interessant beschriebene Reise. Danke sehr hilf mir richtige Entscheidung als Anfänger zu treffen Will auch etwa 4 Tage fahren und suche nach Möglichkeit. Danke nochmals Janusz
Bernd (Dienstag, 04 Januar 2022 06:56)
Danke für das Feedback und viel Freude auf der Reise!